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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Verhältniß zu einander ständen, ja, auch noch vom Guten weit überwogen würden, dennoch Etwas sind, was ganz und gar und überhaupt nicht seyn sollte. Weil nun aber nichts aus Nichts entstehn kann; so müssen auch jene ihren Keim im Ursprunge, oder im Kern der Welt selbst haben. Dies anzunehmen wird uns schwer, wenn wir auf die Größe, Ordnung und Vollendung der physischen Welt sehn, indem wir meinen, daß was die Macht hatte, eine solche hervorzubringen, auch wohl hätte das Uebel und das Böse müssen vermeiden können. Am allerschwersten wird jene Annahme (deren aufrichtigster Ausdruck Ormuzd und Ahriman ist) begreiflicherweise dem Theismus. Daher wurde, um zuvörderst das Böse zu beseitigen, die Freiheit des Willens erfunden: diese ist jedoch nur eine versteckte Art, Etwas aus Nichts zu machen; indem sie ein Operari annimmt, das aus keinem Esse hervorgienge (siehe »Die beiden Grundprobleme der Ethik«, S. 58 fg.). Sodann das Uebel suchte man dadurch los zu werden, daß man es der Materie, oder auch einer unvermeidlichen Nothwendigkeit zur Last legte; wobei man ungern den Teufel zur Seite liegen ließ, der eigentlich das rechte Expediens ad hoc ist. Zum Uebel gehört auch der Tod : das Böse aber ist bloß das Von-sich-auf-einen-Andern-schieben des jedesmaligen Uebels. Also, wie oben gesagt, das Böse , das Uebel und der Tod sind es, welche das philosophische Erstaunen qualificiren und erhöhen: nicht bloß, daß die Welt vorhanden, sondern noch mehr, daß sie eine so trübsälige sei, ist das punctum pruriens der Metaphysik, das Problem, welches die Menschheit in eine Unruhe versetzt, die sich weder durch Skepticismus noch durch Kriticismus beschwichtigen läßt.
    Mit der Erklärung der Erscheinungen in der Welt finden wir auch die Physik (im weitesten Sinne des Worts) beschäftigt. Aber in der Natur ihrer Erklärungen selbst liegt schon, daß sie nicht genügen können. Die Physik vermag nicht auf eigenen Füßen zu stehn, sondern bedarf einer Metaphysik , sich darauf zu stützen; so vornehm sie auch gegen diese thun mag. Denn sie erklärt die Erscheinungen durch ein noch Unbekannteres, als diese selbst sind: durch Naturgesetze, beruhend auf Naturkräften, zu welchen auch die Lebenskraft gehört. Allerdings muß der ganze gegenwärtige Zustand aller Dinge auf der Welt, oder in der Natur, nothwendig aus rein physischen Ursachen erklärbar seyn. Allein eben so nothwendig müßte eine solche Erklärung, gesetzt man gelangte wirklich so weit, sie geben zu können, – stets mit zwei wesentlichen Unvollkommenheiten behaftet seyn (gleichsam mit zwei faulen Flecken, oder wie Achill mit der verwundbaren Ferse, oder der Teufel mit dem Pferdefuß), vermöge welcher alles so Erklärte doch wieder eigentlich unerklärt bliebe. Erstlich nämlich mit dieser, daß der Anfang der Alles erklärenden Kette von Ursachen und Wirkungen, d.h. zusammenhängenden Veränderungen, schlechterdings nie zu erreichen ist, sondern, eben wie die Gränzen der Welt in Raum und Zeit, unaufhörlich und ins Unendliche zurückweicht; und zweitens mit dieser, daß sämmtliche wirkende Ursachen, aus denen man Alles erklärt, stets auf einem völlig Unerklärbaren beruhen, nämlich auf den ursprünglichen Qualitäten der Dinge und den in diesen sich hervorthuenden Naturkräften , vermöge welcher jene auf bestimmte Art wirken, z.B. Schwere, Härte, Stoßkraft, Elasticität, Wärme, Elektricität, chemische Kräfte u.s.w., und welche nun in jeder gegebenen Erklärung stehn bleiben, wie eine gar nicht wegzubringende unbekannte Größe in einer sonst vollkommen aufgelösten algebraischen Gleichung; wonach es dann keine noch so gering geschätzte Thonscherbe giebt, die nicht aus lauter unerklärlichen Qualitäten zusammengesetzt wäre. Also diese zwei unausweichbaren Mängel in jeder rein physikalischen, d.h. kausalen Erklärung, zeigen an, daß eine solche nur relativ wahr seyn kann, und daß die ganze Methode und Art derselben nicht die einzige, nicht die letzte, also nicht die genügende, d.h. nicht diejenige seyn kann, welche zur befriedigenden Lösung des schweren Räthsels der Dinge und zum wahren Verständniß der Welt und des Daseyns jemals zu führen vermag; sondern daß die physische Erklärung, überhaupt und als solche, noch einer metaphysischen bedarf, welche den Schlüssel zu allen ihren Voraussetzungen lieferte, eben deshalb aber auch einen ganz andern Weg einschlagen müßte. Der erste Schritt hiezu ist, daß man den Unterschied

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