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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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beider, mithin den zwischen Physik und Metaphysik , zum deutlichen Bewußtseyn bringt und festhält. Er beruht im Allgemeinen auf der Kantischen Unterscheidung zwischen Erscheinung und Ding an sich . Eben weil Kant das Letztere für schlechthin unerkennbar erklärte, gab es, ihm zufolge, gar keine Metaphysik , sondern bloß immanente Erkenntniß, d.h. bloße Physik , welche stets nur von Erscheinungen reden kann, und daneben eine Kritik der nach Metaphysik strebenden Vernunft. Hier aber will ich, um den rechten Anknüpfungspunkt meiner Philosophie an die Kantische nachzuweisen, das zweite Buch anticipirend, hervorheben, daß Kant , in seiner schönen Erklärung des Zusammenbestehns der Freiheit mit der Nothwendigkeit (Kritik der reinen Vernunft, erste Auflage, S. 532-554, und Kritik der praktischen Vernunft, S. 224-231 der Rosenkranzischen Ausgabe) darthut, wie eine und die selbe Handlung einerseits aus dem Charakter des Menschen, dem Einfluß, den er im Lebenslauf erlitten, und den jetzt ihm vorliegenden Motiven, als nothwendig eintretend, vollkommen erklärbar sei, dabei aber andererseits doch als das Werk seines freien Willens angesehn werden müsse: und in gleichem Sinne sagt er, § 53 der Prolegomena : »Zwar wird aller Verknüpfung der Ursache und Wirkung in der Sinnenwelt Naturnothwendigkeit anhangen, dagegen doch derjenigen Ursache, die selbst keine Erscheinung ist (obzwar ihr zum Grunde liegt), Freiheit zugestanden, Natur also und Freiheit eben dem selben Dinge, aber in verschiedener Beziehung, ein Mal als Erscheinung, das andere Mal als einem Dinge an sich selbst, ohne Widerspruch beigelegt werden können.« Was nun also Kant von der Erscheinung des Menschen und seines Thuns lehrt, das dehnt meine Lehre auf alle Erscheinungen in der Natur aus, indem sie ihnen den Willen als Ding an sich zum Grunde legt. Dies Verfahren rechtfertigt sich zunächst schon dadurch, daß nicht angenommen werden darf, der Mensch sei von den übrigen Wesen und Dingen in der Natur specifisch, toto genere und von Grund aus verschieden, vielmehr nur dem Grade nach. – Von dieser anticipirenden Abschweifung kehre ich zurück zu unserer Betrachtung der Unzulänglichkeit der Physik, die letzte Erklärung der Dinge abzugeben. – Ich sage also: physisch ist freilich Alles, aber auch nichts erklärbar. Wie für die Bewegung der gestoßenen Kugel, muß auch zuletzt für das Denken des Gehirns eine physische Erklärung an sich möglich seyn, die dieses eben so begreiflich machte, als jene es ist. Aber eben jene, die wir so vollkommen zu verstehn wähnen, ist uns im Grunde so dunkel wie Letzteres: denn was das innere Wesen der Expansion im Raum, der Undurchdringlichkeit, Beweglichkeit, der Härte, Elasticität und Schwere sei, – bleibt, nach allen physikalischen Erklärungen, ein Mysterium, so gut wie das Denken. Weil aber bei diesem das Unerklärbare am unmittelbarsten hervortritt, machte man hier sogleich einen Sprung aus der Physik in die Metaphysik und hypostasirte eine Substanz ganz anderer Art, als alles Körperliche, – versetzte ins Gehirn eine Seele. Wäre man jedoch nicht so stumpf gewesen, nur durch die auffallendeste Erscheinung frappirt werden zu können; so hätte man die Verdauung durch eine Seele im Magen, die Vegetation durch eine Seele in der Pflanze, die Wahlverwandtschaft durch eine Seele in den Reagenzien, ja, das Fallen eines Steines durch eine Seele in diesem erklären müssen. Denn die Qualität jedes unorganischen Körpers ist eben so geheimnißvoll, wie das Leben im Lebendigen: auf gleiche Weise stößt daher überall die physische Erklärung auf ein Metaphysisches, durch welches sie vernichtet wird, d.h. aufhört Erklärung zu seyn. Nimmt man es streng, so ließe sich behaupten, daß alle Naturwissenschaft im Grunde nichts weiter leistet, als was auch die Botanik: nämlich das Gleichartige zusammenzubringen, zu klassificiren. – Eine Physik, welche behauptete, daß ihre Erklärungen der Dinge, – im Einzelnen aus Ursachen und im Allgemeinen aus Kräften, – wirklich ausreichten und also das Wesen der Welt erschöpften, wäre der eigentliche Naturalismus . Vom Leukippos, Demokritos und Epikuros an, bis herab zum Système de la nature , dann zu Delamark, Cabanis und zu dem in diesen letzten Jahren wieder aufgewärmten Materialismus können wir den fortgesetzten Versuch verfolgen, eine Physik ohne Metaphysik aufzustellen, d.h. eine Lehre, welche die Erscheinung zum Dinge an sich machte. Aber alle ihre

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