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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Erklärungen suchen den Erklärern selbst und Andern zu verbergen, daß sie die Hauptsache, ohne Weiteres, voraussetzen. Sie bemühen sich zu zeigen, daß alle Phänomene, auch die geistigen, physisch sind: mit Recht; nur sehn sie nicht ein, daß alles Physische andererseits zugleich ein Metaphysisches ist. Dies ist aber auch, ohne Kant , schwer einzusehn; da es die Unterscheidung der Erscheinung vom Ding an sich voraussetzt. Dennoch hat sich, selbst ohne diese, Aristoteles , so sehr er auch zur Empirie geneigt und von Platonischer Hyperphysik entfernt war, von jener beschränkten Ansicht frei gehalten: er sagt: Ei men oun mê esti tis hetera ousia para tas physei synestêkyias, hê physikê an eiê prôtê epistêmê; ei de esti tis ousia akintos, hautê protera kai philosophia prôtê, kai katholou houtôs, hoti prôtê; kai peri tou ontos hê on, tautês an ein theôrêsai . (Si igitur non est aliqua alia substantia, praeter eas, quae natura consistunt, physica profecto prima scientia esset; quodsi autem est aliqua substantia immobilis, haec prior et philosophia prima, et universalis sic, quod prima; et de ente, prout ens est, speculari hujus est.) Metaph., V, I. Eine solche absolute Physik , wie oben beschrieben, welche für keine Metaphysik Raum ließe, würde die Natura naturata zur Natura naturans machen: sie wäre die auf den Thron der Metaphysik gesetzte Physik, würde jedoch, auf dieser hohen Stelle, sich fast so ausnehmen, wie Holbergs theatralischer Kannengießer, den man zum Burgemeister gemacht. Sogar hinter dem an sich abgeschmackten, auch meistens boshaften Vorwurf des Atheismus liegt, als seine innere Bedeutung und ihm Kraft ertheilende Wahrheit, der dunkle Begriff einer solchen absoluten Physik ohne Metaphysik. Allerdings müßte eine solche für die Ethik zerstörend seyn, und wie man fälschlich den Theismus für unzertrennlich von der Moralität gehalten hat, so gilt Dies in Wahrheit nur von einer Metaphysik überhaupt , d.h. von der Erkenntniß, daß die Ordnung der Natur nicht die einzige und absolute Ordnung der Dinge sei. Daher kann man als das nothwendige Credo aller Gerechten und Guten dieses aufstellen: »Ich glaube an eine Metaphysik«. In dieser Hinsicht ist es wichtig und nothwendig, daß man sich von der Unhaltbarkeit einer absoluten Physik überzeuge; um so mehr, da diese, der eigentliche Naturalismus , eine Ansicht ist, die sich dem Menschen von selbst und stets von Neuem aufdringt und nur durch tiefere Spekulation vernichtet werden kann, als deren Surrogat, in dieser Hinsicht, allerlei Systeme und Glaubenslehren, insofern und so lange sie gelten, freilich auch dienen. Daß aber eine grundfalsche Ansicht sich dem Menschen von selbst aufdringt und erst künstlich entfernt werden muß, ist daraus erklärlich, daß der Intellekt ursprünglich nicht bestimmt ist, uns über das Wesen der Dinge zu belehren, sondern nur ihre Relationen, in Bezug auf unsern Willen, uns zu zeigen: er ist, wie wir im zweiten Buche finden werden, das bloße Medium der Motive. Daß nun in diesem die Welt sich auf eine Weise schematisirt, welche eine ganz andere, als die schlechthin wahre Ordnung der Dinge darstellt, weil sie eben uns nicht den Kern, sondern nur die äußere Schaale derselben zeigt, geschieht accidentaliter und kann dem Intellekt nicht zum Vorwurf gereichen; um so weniger, als er doch wieder in sich selbst die Mittel findet, jenen Irrthum zu rektificiren, indem er zur Unterscheidung zwischen Erscheinung und Wesen an sich der Dinge gelangt; welche Unterscheidung im Grunde zu allen Zeiten dawar, nur meistens sehr unvollkommen zum Bewußtseyn gebracht und daher ungenügend ausgesprochen wurde, sogar oft in seltsamer Verkleidung auftrat. Schon die Christlichen Mystiker z.B. erklären den Intellekt, indem sie ihn das Licht der Natur nennen, für unzulänglich, das wahre Wesen der Dinge zu erfassen. Er ist gleichsam eine bloße Flächenkraft, wie die Elektricität, und dringt nicht in das Innere der Wesen.
    Die Unzulänglichkeit des reinen Naturalismus tritt, wie gesagt, zuvörderst, auf dem empirischen Wege selbst, dadurch hervor, daß jede physikalische Erklärung das Einzelne aus seiner Ursache erklärt, die Kette dieser Ursachen aber, wie wir a priori , mithin völlig gewiß wissen, ins Unendliche rückwärts läuft, so daß schlechthin keine jemals die erste seyn konnte. Sodann aber wird die Wirksamkeit jeder Ursache zurückgeführt auf ein Naturgesetz, und dieses endlich auf eine Naturkraft,

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