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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Weltweisheit : ihr Problem ist die Welt: mit dieser allein hat sie es zu thun und läßt die Götter in Ruhe, erwartet aber dafür, auch von ihnen in Ruhe gelassen zu werden.

Ergänzungen zum zweiten Buch.
    »Ihr folget falscher Spur,
    Denkt nicht, wir scherzen!
    Ist nicht der Kern der Natur
    Menschen im Herzen?«
    Goethe.

Kapitel 18. Von der Erkennbarkeit des Dinges an sich

    Zu diesem Buche, welches den eigenthümlichsten und wichtigsten Schritt meiner Philosophie, nämlich den von Kant als unmöglich aufgegebenen Uebergang von der Erscheinung zum Dinge an sich, enthält, habe ich die wesentlichste Ergänzung schon 1836 veröffentlicht, unter dem Titel »Ueber den Willen in der Natur« (zweite Auflage, 1854). Man würde sehr irren, wenn man die fremden Aussprüche, an welche ich dort meine Erläuterungen geknüpft habe, für den eigentlichen Stoff und Gegenstand jener dem Umfang nach kleinen, dem Inhalt nach wichtigen Schrift halten wollte: vielmehr sind diese bloß der Anlaß, von welchem ausgehend ich daselbst jene Grundwahrheit meiner Lehre mit so großer Deutlichkeit, wie sonst nirgends, erörtert und bis zur empirischen Naturerkenntniß herabgeführt habe. Und zwar ist dies am erschöpfendesten und stringentesten unter der Rubrik »Physische Astronomie« geschehn; so daß ich nicht hoffen darf, jemals einen richtigeren und genaueren Ausdruck jenes Kernes meiner Lehre zu finden, als der daselbst niedergelegte ist. Wer meine Philosophie gründlich kennen und ernstlich prüfen will, hat daher vor Allem die besagte Rubrik zu berücksichtigen. Ueberhaupt also würde Alles in jener kleinen Schrift Gesagte den Hauptinhalt gegenwärtiger Ergänzungen ausmachen, wenn es nicht, als ihnen vorangegangen, ausgeschlossen bleiben müßte; wogegen ich es nun aber hier als bekannt voraussetze, indem sonst gerade das Beste fehlen würde.
    Zunächst will ich jetzt, von einem allgemeinern Standpunkt aus, über den Sinn, in welchem von einer Erkenntniß des Dinges an sich die Rede seyn kann und über die nothwendige Beschränkung desselben einige Betrachtungen voranschicken.
    Was ist Erkenntniß ? – Sie ist zunächst und wesentlich Vorstellung . – Was ist Vorstellung ? – Ein sehr komplicirter physiologischer Vorgang im Gehirne eines Thiers, dessen Resultat das Bewußtseyn eines Bildes eben daselbst ist. – Offenbar kann die Beziehung eines solchen Bildes auf etwas von dem Thiere, in dessen Gehirn es dasteht, gänzlich Verschiedenes nur eine sehr mittelbare seyn. – Dies ist vielleicht die einfachste und faßlichste Art, die tiefe Kluft zwischen dem Idealen und Realen aufzudecken. Diese nämlich gehört zu den Dingen, deren man, wie der Bewegung der Erde, nicht unmittelbar inne wird: darum hatten die Alten sie, wie eben auch diese, nicht bemerkt. Hingegen, von Cartesius zuerst, ein Mal nachgewiesen, hat sie seitdem den Philosophen keine Ruhe gegönnt. Nachdem aber zuletzt Kant die völlige Diversität des Idealen und Realen am allergründlichsten dargethan, war es ein so kecker, wie absurder, jedoch auf die Urtheilskraft des philosophischen Publikums in Deutschland ganz richtig berechneter und daher von glänzendem Erfolg gekrönter Versuch, durch, auf angebliche intellektuale Anschauung sich berufende, Machtansprüche, die absolute Identität Beider behaupten zu wollen. – In Wahrheit hingegen ist ein subjektives und ein objektives Daseyn, ein Seyn für sich und ein Seyn für Andere, ein Bewußtseyn des eigenen Selbst und ein Bewußtseyn von andern Dingen, uns unmittelbar gegeben, und Beide sind es auf so grundverschiedene Weise, daß keine andere Verschiedenheit dieser gleich kommt. Von sich weiß Jeder unmittelbar, von allem Andern nur sehr mittelbar. Dies ist die Thatsache und das Problem.
    Hingegen ob, durch fernere Vorgänge im Innern eines Gehirns, aus den darin entstandenen anschaulichen Vorstellungen oder Bildern Allgemeinbegriffe (Universalia) abstrahirt werden, zum Behuf fernerer Kombinationen, wodurch das Erkennen ein vernünftiges wird und nunmehr Denken heißt, – dies ist hier nicht mehr das Wesentliche, sondern von untergeordneter Bedeutung. Denn alle solche Begriffe entlehnen ihren Inhalt allein aus der anschaulichen Vorstellung, welche daher Urerkenntniß ist und also bei Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Idealen und dem Realen allein in Betracht kommt. Demnach zeugt es von gänzlicher Unkenntniß des Problems, oder ist wenigstens sehr ungeschickt, jenes Verhältniß bezeichnen zu wollen als

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