Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Entsetzen in seinen Augen, die Angst.
Wenzel tritt auf ihn zu und jagt ihm zwei Kugeln mitten ins Gesicht.
Und dann ist alles vorbei.
In der Stille, die dem Knallen der Schüsse und dem Klirren von Glas folgt, hören wir plötzlich das Weinen eines Kinds. Das Weinen mehrerer Kinder.
Plötzlich wird uns klar, was die Verteidiger der Festung geschützt haben. Wir sehen ihren Schatz: eine Gruppe Frauen und Kinder, die dicht beieinander in einer Ecke des Zimmers sitzen und sich umarmen. Es sind etwa zwanzig.
Durand scheint bestürzt zu sein.
Er lässt seine Schmeisser fallen.
In dem Moment kommt Gottschall herein.
Seine schweren Schritte klingen wie das Pochen einer Trommel.
»Ausgezeichnet! Unser Mut ist belohnt worden! Gott hat uns einen weiteren großen Sieg gegeben, nach dem von Sant’Arcangelo, wo es uns gelang, das Nest der Ketzer auszuheben! Unsere Heldenhaftigkeit …«
Durand durchbohrt ihn mit einem Blick.
Dann bückt er sich und hebt die Maschinenpistole auf.
Ein metallisches Klacken folgt auf diese Bewegung.
Hinter Gottschall stehen zwölf mit Kalaschnikows bewaffnete Männer. Sie sehen ganz anders aus als die »Soldaten«, die mit uns die Festung erobert haben. Ihre Blicke sind hart. Diese Männer tragen keine weißen Kapuzenmäntel aus zusammengenähten Laken, sondern makellose schwarze Uniformen mit zwei goldenen Kreuzen am Kragen. Die Umhänge aus schwarzem Wachstuch, das Schutz vor Strahlung bieten soll, scheinen ganz neu zu sein.
»Das sollten Sie besser lassen«, sagt Gottschall. »Und da wir schon dabei sind … Weisen Sie Ihre Männer an, die Waffen fallen zu lassen.«
Wir gehorchen.
Was bleibt uns anderes übrig?
Wir legen unsere Schmeisser auf den Boden.
Gottschall geht zu den Männern, die am Angriff teilgenommen haben.
»Ihr seid hervorragend gewesen! Wahre Krieger des Höchsten! Heute habt ihr eine glorreiche Seite geschrieben im Buch der einen wahren Kirche, der Kirche des kämpfenden Gottes.«
»Ich dachte, es wäre eure Aufgabe, Mutanten zu töten und Ketzer zu bestrafen.«
Die Worte stammen von Bune. Seine Stimme klingt diesmal nicht ironisch, sondern ernst.
Gottschall dreht den Kopf, sieht ihn an und wirkt wie jemand, der gerade von einem lästigen Insekt gestochen worden ist.
»Was hast du gesagt?«, fragt er.
Bune tritt einen Schritt vor und löst sich damit von unserer Gruppe. Dann geht er zu den Frauen und Kindern, die wir gefangen genommen haben.
»Dies sind keine Mutanten. Und was die Ketzerei betrifft … Für die Kirche, die wahre Kirche, sind Sie der Ketzer.«
Gottschall schneidet eine Grimasse. Er dreht sich um, kehrt Bune den Rücken zu. Dann wirbelt er plötzlich um die eigene Achse, und ein Messer fliegt aus seiner Hand, bohrt sich dem Schweizergardisten in die Schulter. Bune sinkt zu Boden, ohne einen Ton von sich zu geben.
»Gibt es sonst noch jemanden, der sich beklagen möchte?«
Gottschall bückt sich, zieht Bune das Messer aus der Schulter und wischt es an der Kleidung des Gardisten ab.
»Heute habt ihr dem Willen des Herrn Genüge getan. Dank euch ist Rimini befreit und nun offen für den Handel und das Wort Gottes.«
Er breitet die Arme zu einer Geste aus, die beruhigend wirken soll. Aber beim Anblick des menschlichen Monstrums in der schwarzen Rüstung beginnt ein Kind zu weinen.
»Warum seid ihr erschrocken? Weil ihr keinen Vater mehr habt? Von heute an bin ich euer Vater, und meine Männer sind eure Brüder. Kommt und umarmt mich.«
Aber niemand in der Gruppe rührt sich. Gottschall geht langsam an den Kindern vorbei, bückt sich schließlich und hebt eins hoch. Der blonde Junge zappelt. Gottschall hält ihn mit ausgestreckten Armen und sieht ihn sich genau an, bevor er ihn einem seiner Männer gibt.
»Nimm, Sergio. Scheint alles in Ordnung mit ihm zu sein. Wir geben ihn Carla, die ihren Sohn verloren hat. Vielleicht wird sie dadurch wieder normal. Meine Damen und Herren … Da wir nun Bekanntschaft miteinander geschlossen haben, nenne ich euch die drei einfachen Regeln der Kirche, die euch aufgenommen hat. Erstens: Ihr gehört zur Kirche. Zweitens: Ihr gehorcht der Kirche immer, ohne Widerrede.«
Gottschall lächelt, bevor er weiterspricht.
»Ich habe drei Regeln erwähnt. Fragt mich niemand von euch nach der dritten? Nun gut, es bedeutet, dass ihr sie nicht kennen müsst. Umso besser für euch. Denn niemand, der von der dritten Regel Kenntnis erlangte, hat lange genug überlebt, anderen von ihr zu erzählen. Geht jetzt, folgt
Weitere Kostenlose Bücher