Die Zarin (German Edition)
Raum ganz für mich alleine! Er war größer als unsere gesamte isba in Kreuzberg es gewesen war! Wie schnell man sich doch an ein besseres Leben gewöhnt: Selbst das gute Leben bei den Glücks schien mir unendlich weit entfernt. Wie hatte ich nur in der isba leben können? Ich wollte nie zu diesem Leben zurückkehren!
Die Matratze meines Bettes war dick mit Roßhaar gestopft, und die Kissen darauf waren mit reinem, nach dem in den Wäschetruhen lagernden Kampfer duftendem Leinen bezogen. In der Nacht deckte ich mich noch mit einer schweren Decke aus Fuchspelzen zu. Zudem standen in dem Raum zwei Truhen aus bemaltem Holz, die mit Eisenbändern und Schieferplatten beschlagen waren: Darin sollte ich meine Kleider aufbewahren. Ich trug jedoch entweder noch nach russischer Art einen Sarafan, eine Tunika und einen langen, warmen Mantel oder auch einige der Kleider, die Darja mir geschenkt hatte. Jedoch mußte ich mir diese offensichtlich sehr viel weiter machen lassen: Das frohe Leben mit dem guten Essen ging nicht spurlos an mir vorbei, aber es war mir von Herzen gleichgültig. Mein Gemüt war froh, und mein Mund lächelte ohne Falschheit: Ich lebte, was konnte ich mich da beklagen?
Darja ging mit Freude und Feuereifer an die vor den Neujahrsfeierlichkeiten drängende Frage meiner Kleider: Sie wog den Goldsack, den Menschikow mir gegeben hatte, mit der Hand ab: »Du meine Güte, davon können wir Seiden für seinen ganzen Staat kaufen! Weshalb ist er so großzügig?«
Sie musterte mich und eine Spur von Mißtrauen glitt über ihr Gesicht. Natürlich, sie konnte sich ihrer Stellung nie sicher sein, solange sie nicht Darja Menschikowa war. Und Alexander Danilowitsch zeigte nicht die geringste Neigung, mit ihr unter die Brautkrone zu treten! So sah ich sie offen an: »Ich denke, er will, daß deine Hofdamen dir Ehre machen! Schau mich doch an, ich brauche ja alles! Ich habe keine Hemden, keine Strümpfe, keine Leibwäsche und schon gar keine Tücher oder Kleider!«
Nun trat Warwara zu uns und wog ebenfalls das Gold in ihrer weißen Hand. »Nun, wenn es bei diesem frommen Wunsch bleibt …«, meinte sie dann bissig.
»Was meinst du damit?« fuhr ich sie an. Ich hatte bereits gelernt, daß ich nicht mehr geliebt wurde, indem ich zu allem Ja und Amen sagte. Im Gegenteil! Wenn Warwara mich schon nicht mochte, so sollte sie doch die Grenzen meiner Gutmütigkeit ehren.
Warwara machte eine unschuldige Miene: »Nichts, gar nichts …! Aber, man weiß doch, Männer haben immer einen Hintergedanken, und Alexander Danilowitsch ist nicht gerade für seine Wohltätigkeit bekannt!«
Sie sah angelegentlich auf ihre blaß polierten Fingernägel und spitzte die grellrot geschminkten Lippen. Ich fühlte mich hilflos vor Wut. Was wollte sie damit sagen? Darja blickte von mir zu ihrer Schwester. Einen Augenblick lang herrschte ein Schweigen, das sich wie eine Mauer zwischen uns aufbaute.
»Laß uns gehen, Martha«, sagte sie dann nur.
Der gostiny dwor war so, wie Darja ihn mir beschrieben hatte: ein Wunderland für Frauen mit einem Sack Gold am Gürtel. Ich entdeckte Dinge, von deren Schönheit ich nichts hatte ahnen können: Elfenbein und Ebenholz, Schildpatt und Perlmutter, Emaille, Porzellan und mehr Sorten von Perlen und wertvollen Steinen, als ich mir je hätte träumen lassen. Weiche Hände hoben meine Haare aus meinem Nacken und maßen meinen üppigen Körper von Kopf bis Fuß aus. Der Schneider flüsterte angelegentlich mit seinen Gesellen: In allen Farben des Regenbogens wurden schillernde Seiden, weicher Samt und kni sternder Damast zu unseren Füßen ausgerollt. Darja half mir, die für mich passenden Töne auszuwählen. Goldene und silberne Gewandschließen, Ohrgehänge, eine Halskette und Armbänder mit bunten Steinen wurden mir an den Hals, die Brust und die Arme gehalten: Einiges Geschmeide wählte ich aus und ließ es beiseite legen. Eine kleine Schneiderin zeigte uns die zart geklöppelten Spitzen, die sie soeben aus Brüssel und Paris erhalten hatte. Darja riet mir zu einem zarten Blütenmuster für meine Leibwäsche. Sie war es auch, die über das weiche, bunte Leder für meine Handschuhe entschied. Schließlich strichen meine Hände noch über weiche, silberne Zobelfelle, aus denen mir der Kürschner die Umrandung für einen langen Umhang aus gewalkter und mit Ranken bestickter Wolle arbeitete. Nach einigem Handeln und Schöntun ließ er sich sogar noch zu einem weiteren Fell für eine Mütze überreden.
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