Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
erfreulicherweise«, erklärte sie gelassen. »Wir sollten also nicht verhungern.«
»Miss Jane«, Christopher versuchte es noch einmal. Es musste doch möglich sein, freundlich und vorerst noch ein bisschen unverbindlich mit dieser jungen Frau zu plaudern! »Ich erwarte von Ihnen keinesfalls irgendwelche Anstrengungen, unser Überleben zu gewährleisten. Im Gegenteil, ich wünsche mir aus ganzem Herzen, Ihnen sehr bald das Leben bieten zu können, das Sie sich wünschen. Vielleicht wird es ein bisschen langsam anlaufen, auf die Dauer sollen Sie jedoch ein großes Haus haben, Personal … Südlich der Mündung des Waimakariri soll ja wohl bald eine Stadt entstehen, sicher gibt es dann auch kulturelle Angebote.«
»Sie brauchen mir nicht gleich eine Oper zu bauen«, meinte Jane spöttisch. »Aber gut, Sie haben die Karten auf den Tisch gelegt, ich werde darüber nachdenken. Jetzt entschuldigen Sie mich, meine Mutter erwartet mich. Wir haben soeben von den Ereignissen am Wairau gehört, Vater. Dieser Missionar … wie heißt er noch … Tate … veranstaltet heute Nachmittag eine Trauerfeier. Oder erst mal eine Gebetsversammlung, die Trauerfeier wird wohl pompöser ausfallen, wenn Colonel Wakefield sich erst gefasst hat. Jedenfalls müssen wir teilnehmen. Mr. Fenroy … es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen …« Damit rauschte sie hinaus.
Bei der Trauerfeier am Nachmittag schenkte Jane Beit Christopher keinen Blick mehr. Ein paar Tage später erreichte ihn jedoch ein Briefchen, in dem sie ihn aufforderte, bei den Beits zum Tee zu erscheinen. Natürlich brachte er Blumen mit – und wäre vor Scham fast im Boden versunken, als Cat auf Mrs. Beits Ruf hin erschien, um sie ins Wasser zu stellen. Er hatte die junge Frau nicht mehr gesehen, nachdem sie dem Butler gefolgt war, anscheinend hatte sie die Stelle im Haushalt der Beits angenommen. Jetzt trug sie jedenfalls ein adrettes Dienstbotenkleid und sah Chris nur prüfend von der Seite an. Ihr schien ein Gruß auf der Zunge zu liegen, aber dann schwieg sie doch. Wusste sie nicht, was sie sagen sollte? Wie sie ihn ansprechen sollte? Oder war Dienstboten das Reden mit den Gästen ihrer Herrschaft einfach generell verboten?
Christopher quälte sich durch das förmliche Geplauder beim Tee – Mrs. Beit fragte nach seiner Familie, seiner Arbeit, seinen Plänen –, Jane hörte lediglich zu. Sofern sie das überhaupt tat, vielleicht hing sie auch ganz anderen Gedanken nach … Erst als Chris sich verabschiedete, richtete sie wieder das Wort an ihn.
»Als Nächstes müssten wir wohl zusammen in die Kirche gehen«, bemerkte sie. »Wir sind Lutheraner oder Reformierte, das hält mein Vater so, wie es gerade passt. Sie gehören der episkopalen Kirche an, schätze ich. Also nehmen wir die. Eine andere gibt es hier auch gar nicht. Ach ja, und dann gehört es wohl zu einer ordentlichen Werbung, dass Sie irgendwann mit mir an einem Picknick teilnehmen. Und mich über einen See rudern oder so. Dabei müsste ich kichern. Oder hinterher. Oder vorher … ich werde mich da mal schlau machen …«
Christopher lächelte beflissen, während Jane ihre Ansprache ohne jedes Mienenspiel hervorbrachte.
»Sie haben sich also für mich entschieden, Miss Jane?«, fragte er freundlich.
»Für Ihren Namen, Mr. Fenroy«, gab sie zurück. »Weil es darum ja wohl ging …«
Seit dieser denkwürdigen »Verlobung« ging Chris ab und zu mit Jane aus. Er ließ sich mit ihr auf den Gedenkfeiern für die Opfer des Wairau-Massakers sehen und auf Gemeindefesten der Kirche. Sehr viel mehr gesellschaftliche Anlässe gab es nicht, und er war froh darüber. Im Grunde dankte er dem Himmel, als Tuckett ihn ein paar Wochen nach dem Vorfall am Wairau River – von der Regierung Tumult oder Zwischenfall genannt – auf die Nordinsel beorderte. Auf der Südinsel stockten die Verhandlungen mit den Maori, wie Spain erwartet hatte. Aber seit der ehemalige Gouverneur William Hobson und der vom Vereinigten Königreich gesandte Vermittler James Busby 1840 mit den Nordinselstämmen den Vertrag von Waitangi abgeschlossen hatten, in dem Rechte und Pflichten von Maori und pakeha unter der Souveränität der britischen Krone festgelegt waren, wuchsen die Siedlungen dort sprunghaft, und die Landvermesser bereisten das gesamte Territorium.
Chris folgte dem Ruf gern und war ebenso überrascht wie erfreut, im Umfeld von Tuckett Karl Jensch wiederzutreffen. Wobei es jetzt wesentlich einfacher war, sich miteinander zu
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