Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
verständigen. Karls Englisch verbesserte sich mit jedem Tag, und der junge Mann bewies ausgesprochenes Talent für die Berechnungen und Techniken, die von Geografen gefordert wurden. Frederick Tuckett sprach in den höchsten Tönen von ihm – und für Chris wurde er bald zu einem Freund. Am Lagerfeuer oder in den Pubs der Siedlungen erzählten sich die beiden ihre Lebensgeschichten und sprachen von ihren Wünschen und Träumen. Karl redete von Ida, während Chris selbst sich Jane betreffend kurzfasste. Karl hakte allerdings nach, schließlich hatte er die junge Frau auf der Schiffsreise erlebt.
»Ob du mit der wirklich glücklich wirst?«, sprach er letztlich die Bedenken aus, die Fenroy quälten. »Sie ist doch so schwierig …«
»Sie ist klug«, gab Chris zurück.
Davon zumindest war er überzeugt. Wenn Jane sich zu irgendetwas eine Bemerkung abrang, so war sie in der Regel äußerst scharfsinnig. Scharfzüngig allerdings auch.
»Trotzdem … du liebst sie nicht!«, konstatierte Karl. »Und sie dich auch nicht … Jedenfalls klingt es nicht so, vielleicht irre ich mich da ja.«
Chris lachte bitter. »Sie hätte jedenfalls eine sehr sonderbare Art, es zu zeigen«, witzelte er. »Aber diese Sache mit der Liebe … das muss man einfach abwarten … das kommt vielleicht später … mit der Zeit …«
Karl verdrehte die Augen. »Wenn du jetzt noch sagst, das sei eben alles Gottes Wille und Schicksal und vorbestimmt oder gar deine einzige Chance auf Eingang ins Paradies, dann kannst du dich gleich mit den Langes und Brandmanns zusammentun. Im Ernst, ich höre Ida über Ottfried reden, wenn du von Jane Beit sprichst. Wobei du immerhin noch deine Farm bekommst und damit die Erfüllung deines Herzenswunsches. Ida dagegen … die gesteht sich ja nicht einmal zu, sich irgendetwas zu wünschen …«
Ida lebte jetzt seit Wochen bei den Partridges, und ihr Leben dort ließ gar nicht so viele Wünsche offen. Das Haus war behaglich und bot weit mehr Komfort als ihre Häuslerkate in Raben Steinfeld. Ida und Elsbeth hatten nie einen so angenehmen Winter verbracht. In Raben Steinfeld hatten sie das Holz für die offenen Kamine selbst hacken und ins Haus schleppen müssen, das Familienleben im bitterkalten Mecklenburg hatte in einer einzigen geheizten Stube stattgefunden. Hier in Nelson waren die Winter sehr viel milder, und die Partridges beheizten ihr Haus mit Kachelöfen, die von einer zentralen Stelle aus befeuert wurden. Mortimer Partridge machte das selbst oder bat allenfalls mal Anton um Unterstützung. Die Mädchen halfen lediglich Mrs. Partridge im Haushalt oder gern auch mal im Laden.
Vor allem Elsbeth ging in der Arbeit als Verkäuferin auf. Sie schwatzte fröhlich mit den weiblichen Kunden und flirtete heimlich mit den jungen Männern, wenn sie sicher war, dass ihr Vater nicht da war. Ida war zurückhaltender, aber auch sie lernte weiterhin Englisch und unterhielt sich gern mit Mrs. Partridge über Gott und die Welt. Von ihr aus hätte das noch monatelang so weitergehen können, wäre da nur nicht der ständige Konflikt zwischen den Vorstellungen und Wünschen der Sankt-Pauli -Gemeinde und dem Alltagsleben in Nelson gewesen, der ihr Leben überschattete und sie zu Heimlichkeiten zwang.
Nach wie vor verweigerten sich Jakob Lange, Peter Brandmann und die Familienvorstände der anderen Mecklenburger Auswanderer jeder Anpassung an die Bürger von Nelson. Sie lehnten es auch weiter ab, die englische Sprache zu erlernen – immerhin zeigten sie sich inzwischen aufgeschlossener, wenn sich ihre Söhne daran versuchten. Ihren Töchtern dagegen verboten sie streng, mehr als nötig mit ihren Gastgebern zu kommunizieren.
»Die Frauen sollen im Haus bleiben und die Bräuche bewahren!«, beschied Lange seine Töchter verärgert, nachdem er Elsbeth mal wieder im Laden erwischt hatte. »Wenn ihr euch jetzt hier anpasst, verwässert sich das, und es wird nie wieder so sein wie zu Hause. Womöglich vergesst ihr noch die alten Gebete und Lieder. Dies hier ist ein unschönes Zwischenspiel, das längst hätte enden sollen. Sobald wir endlich unser Land haben, wird sich alles wenden. Ihr werdet eure Höfe haben, gute, gläubige Männer heiraten und genug in euren Gärten, auf euren Feldern und in euren Küchen zu tun haben. Dafür braucht ihr keine fremden Sprachen!«
Am liebsten hätte er Ida und Elsbeth unter die Fittiche Frau Brandmanns geschickt, die sich im Haushalt ihrer Gastfamilie völlig abkapselte, mit ihren
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