Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Kindern deutsche Lieder sang und deutsche Gebete sprach. Die Brandmanns lebten allerdings ziemlich beengt im Haus ihrer Gastgeber, und die McDuffs zeigten sich auch nicht allzu begeistert von Frau Brandmanns mitunter lautstarken Aktivitäten. Zwei weitere regelmäßige Gäste konnte man ihnen nicht zumuten.
Idas Vater hoffte also auf baldige Landzuteilung, aber die Sache zog sich hin, und die Männer waren darüber zutiefst erbost. Nach dem Wairau-Zwischenfall hatten sie mit einer raschen Lösung gerechnet: Die Maori mussten bestraft und von dem fraglichen Land vertrieben werden. Der Gouverneur in Auckland, vertreten durch seinen hiesigen Beauftragten Spain, schien das allerdings anders zu sehen, was Lange und Brandmann nicht verstanden. Schließlich baten sie den deutschsprachigen Besitzer des Ladens für Angelbedarf um Erklärungen. Der lieferte sie bereitwillig.
»Nein, eine Strafexpedition brächte da nichts, da hat Spain ganz Recht. So was macht die Häuptlinge nur wütend. Ich hab’s Ihnen ja schon mal gesagt, gewöhnlich kann man mit den Kerlen reden. Auch über finanzielle Wiedergutmachung bei Mord und Totschlag. Das machen die unter sich ebenso, da gibt’s einen Brauch namens utu …«
»Wergeld«, nannte Brandmann den altdeutschen Begriff.
Der Ladenbesitzer zuckte die Schultern. »Jedenfalls war im Gespräch, die Wairau-Ebene als Ausgleich für den Tod Wakefields und seiner Männer zu fordern. Aber irgendwie können sie sich nicht einigen. Spain meint wohl, bei der Sache hätten sich eigentlich eher die pakeha zu entschuldigen als die Maori. Der jüngere Wakefield möchte Blut sehen, und der Gouverneur macht erst mal gar nichts, zumal im Moment auch gar kein Verhandlungspartner zur Verfügung steht. Häuptling Te Rauparaha hat sich wohl auf die Nordinsel abgesetzt. Wahrscheinlich, um da Verbündete anzuwerben. Wenn der Gouverneur jetzt eine Strafexpedition zu den Ngati Toa schickt, entfesselt das einen Flächenbrand. Es könnte überall zu Aufständen kommen. Das will niemand. Also machen Sie sich mal keine Hoffnung auf das Land. Die Wairau-Ebene kriegen Sie nie. Machen Sie lieber Wakefield und Beit Feuer unterm Hintern! Die haben den Maori so viel Land abgegaunert – irgendwo muss es da doch was für Sie geben!«
Brandmann und Lange nahmen sich das grummelnd zu Herzen und sprachen seitdem mindestens einmal wöchentlich beim Magistrat vor. Wakefield begann bald, sich verleugnen zu lassen, zumal die Verständigung nach wie vor schwierig war. Wenn Beit nicht zugegen war – und das war er oft, auch er schien sich plötzlich in Luft aufzulösen, wenn die Deutschen mal wieder etwas wollten –, übersetzte Ottfried. Der junge Mann lernte Englisch, wozu er seine Familie jeden Abend verließ, um »sich einzuhören«. Wenn er zurückkam, stank er zum Leidwesen seines Vaters stets nach Bier und oft auch nach Whiskey. Das Einhören in die neue Sprache fand wohl überwiegend in Pubs statt, und Ottfried unterwarf sich beim Heimkommen nach solchen Eskapaden längst nicht mehr den väterlichen Befehlen zum Beten und zum Bußetun. Seit seiner Rückkehr aus Wairau war er aufmüpfiger geworden, auch hier musste nach Ansicht Jakob Langes und Peter Brandmanns dringend etwas passieren!
Dass es dann ausgerechnet der gutmütige Mortimer Partridge war, der die Wende für die deutschen Siedler einleitete, hätte niemand ahnen können.
»Heute waren die Missionare da«, erzählte Partridge beim gemeinsamen Abendessen, nachdem Lange seine Gebete gesprochen hatte. »Die Deutschen aus Moutere. Kann das mal jemand für Mr. Lange übersetzen?«
Er sah Ida an, die, wie er wusste, am besten Englisch sprach. Aber die junge Frau hielt die Lippen verschlossen. Sie wusste genau, dass ihr Vater sie eher rügen als loben würde, wenn sie der Bitte nachkam. Elsbeth wollte vorpreschen, diese einfachen Sätze musste jedoch auch Anton verstanden haben. Ida nickte ihm flehentlich zu, die Aufgabe zu übernehmen.
Jakob Lange lauschte aufmerksam, als sein Sohn zumindest ungefähr das wiedergab, was Partridge erzählte. Die Pastoren Wohlers und Heine, die ebenfalls mit der Sankt Pauli nach Neuseeland gereist waren, hatten gemeinsam mit einem Pastor Riemenschneider eine Missionsstation in Moutere übernommen, gut zwanzig Meilen von Nelson entfernt. Gelegentlich kamen sie in den Ort, um sich zu verproviantieren, und fragten dabei nach den deutschen Siedlern.
»Sie würden sich freuen, wenn Sie mal bei ihnen vorbeischauen würden«, endete
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