Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
dann zerschnitt die Stimme ihres Vaters den Zauber des Augenblicks. »Ida! Was soll das! Komm augenblicklich her!«
Lange wartete nicht, bis Ida sich von Karl löste, sondern stürmte auf sie zu und riss sie empört von ihm weg. »Und du, Jensch, verschwinde! Wenn ich dich noch einmal mit meiner Tochter erwische, garantiere ich für nichts!« Er blitzte Karl an, und der junge Mann befürchtete kurz, er werde versuchen, ihn zu schlagen. Dann winkte Lange jedoch ab. »Na ja, die Möglichkeit wird sich sowieso nicht ergeben. Die Entscheidung wurde eben getroffen, Sankt Paulidorf entsteht am Moutere River!«
Ida schoss durch den Kopf, dass er sich tatsächlich den Namen des Flusses gemerkt hatte.
»Und sobald wir dort eintreffen, Ida, sobald die erste Hütte steht, wirst du verheiratet!«
Karl sah verzweifelt zu, wie Ida ihrem Vater willenlos zurück in die Scheune folgte. Er überlegte kurz, ob er sich einmischen sollte, noch einmal versuchen, sie zum Aufstand zu überreden. Aber sie würde nicht hören. Und in der Scheune befanden sich hundert ohnehin schon aufgeregte Siedler, die eine Auferstehung ihrer Dörfer und Wiederbelebung ihrer Bräuche zum Greifen nahe sahen. Es wäre Irrsinn, konnte Selbstmord sein, sich ihnen allein entgegenzustellen.
Schließlich gab er auf und führte Brandy hinaus in den Regen. Er musste zurück in die Pension und sich umziehen. In wenigen Stunden feierten sie Christopher Fenroys Hochzeit …
KAPITEL 4
Jane Beit zupfte an ihrem Hochzeitskleid und fand, dass sie darin aussah wie eine überdimensionierte Sahnetorte. Das Kleid war schneeweiß, was ihr nicht stand, und so mit Rüschen und Schärpen überladen, dass ihr ohnehin schon nicht unbeträchtlicher Taillenumfang auf das Doppelte angeschwollen schien. Dabei hatte Mrs. Hansen sie schon so eng geschnürt, wie das eben möglich war, ohne einen sofortigen Atemstillstand herbeizuführen. Sie fragte sich, wie sie den Abend in diesem Aufzug durchstehen sollte. Aber gut, es hätte schlimmer sein können, ihre Eltern hätten die Hochzeit am frühen Morgen ansetzen und dann den ganzen Tag feiern können.
Zum Glück war Christopher erst auf die letzte Minute gekommen, auch ihn schienen nicht gerade die Flügel der Liebe zu tragen. Das hatte Jane natürlich auch nicht angenommen. Im Gegenteil, sie wusste, dass er sich mit ihr quälte. Er verhielt sich ihr gegenüber wie die Maus gegenüber der Katze – ihr Spiel mit ihm war einseitig. Aber immerhin war es ein Spiel, das sie zudem fast ein wenig genoss. Einer der beiden kümmerlichen Gründe, aus denen sie Fenroy anderen Bewerbern vorgezogen hatte.
Ihr Vater hatte sie drei Männern vorgestellt, nachdem er beschlossen hatte, sich seine Tochter möglichst schnell vom Hals zu schaffen. Und das war seit dem katastrophalen Fehlschlag der Wakefield-Expedition der Fall. Jane kränkte, dass er sie ständig misstrauisch belauerte, wunderte sich aber nicht darüber. Wahrscheinlich gab es nur wenige Menschen in Nelson, die über die desolate Lage und die Schwierigkeiten der New Zealand Company Bescheid wussten, und offenbar behagte es Beit nicht, dass Jane dazugehörte. Dabei hätten Teile ihres sorgfältig ausgearbeiteten Plans zur Rettung der Situation sogar jetzt noch gegriffen. Ihr Vater zog das allerdings gar nicht erst in Betracht, stattdessen forcierte er das Heiratsprojekt. Die Sache mit »Lord Fenroy« jedenfalls war nur spielerisch angedacht worden, bevor Jane jenen vermaledeiten Brief gefunden hatte.
Beit wollte hoch hinaus, der Gedanke, seine Tochter in eine der besten englischen Familien zu verheiraten, hatte ihm gefallen, und das Land war für ihn eine leicht zu verschmerzende Mitgift. Sicher ging es ihm auch darum, Jane so schnell wie möglich so weit wie möglich aus Nelson zu entfernen. Bei Fenroy bedeutete das Canterbury, zivilisatorisch gesehen natürlich das Ende der Welt, räumlich gesehen allerdings lediglich ein paar hundert Meilen. Der zweite Bewerber, ein Militär, der William Wakefield zuarbeitete, hätte sie dagegen nach Auckland gebracht und von da aus in irgendeine der neu gegründeten Siedlungen, die bewacht und deren umwohnende Maori befriedet werden mussten – im Notfall mit Waffengewalt. Jane graute es allein bei dem Gedanken, nicht nur in der Einöde, sondern auch noch bedroht von feindseligen Stämmen unter verängstigten Neusiedlern festzusitzen. Bei Nummer drei sah es ganz ähnlich aus – ebenfalls ein Militär, stationiert in Van-Diemens-Land, Australien!
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