Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
sich auch interessiert gezeigt. Doch als oberster Landvermesser hatte er viel um die Ohren, dazu waren sie die ganze Zeit auf der Nordinsel unterwegs gewesen … Das Letzte, was Tuckett da durch den Kopf ging, war eine Pflegetochter der Maori, mit der in Nelson niemand etwas anzufangen wusste.
»Geht es dir denn wenigstens halbwegs gut?«
Cat zuckte die Schultern. »Sicher«, sagte sie und sprach damit das aus, was sie sich selbst immer wieder vorsagte, seit sie in Nelson gestrandet war – schließlich war es ihr in ihrem früheren Leben schon deutlich schlechter gegangen.
Im Gegensatz zu Christopher empfand Cat ihre Arbeit bei den Beits nicht als erniedrigend. Damals bei Frau Hempelmann war ihr die Stellung eines Hausmädchens schließlich als größter Traum und gesellschaftlicher Aufstieg erschienen. Und bei den Maori ging jede Frau hauswirtschaftlichen Tätigkeiten nach, egal, welche Stellung sie sonst einnahm. Auch Te Ronga hatte sich am Kochen der gemeinsamen Mahlzeiten beteiligt, sie hatte gewebt, auf den Feldern gearbeitet … es gab keine untergeordnete Tätigkeit bei den Maori. Wenn man etwas gut machte, konnte man sich in jedem Bereich die Achtung der anderen und damit den Titel eines oder einer tohunga erwerben.
Im Hause der Beits war es allerdings fast unmöglich, sich die Anerkennung der Herrschaft zu verdienen. Mrs. Beit nörgelte an jeder Arbeit herum, die Cat oder Mary für sie erledigten, und sie bediente sich dabei scharfer Worte, beschimpfte die Mädchen und tadelte sie so unverblümt, dass Mary oft darüber in Tränen ausbrach. Cat orientierte sich eher an Mr. und Mrs. Hansen, die Mrs. Beits Launen stoisch ertrugen. Aber Freude machte es nicht, unter diesem Druck zu arbeiten – zumal die Töchter der Beits den Umgang ihrer Mutter mit dem Personal übernahmen. Besonders die ständig schlecht gelaunte Jane schubste die Angestellten herum. Cat mochte sie nicht und hatte es bis zu diesem Tag kaum glauben können, dass Chris Fenroy sie tatsächlich heiraten wollte.
Ohnehin hatte es ihr einen Stich gegeben, von seinen Heiratsplänen zu hören. Sie konnte sich nicht erklären, warum, und versuchte auch, keine bösen Gedanken gegen ihn aufkommen zu lassen. Zwischen ihm und ihr selbst war schließlich nichts gewesen, und sie suchte ja auch gar keinen Mann. Trotzdem schmerzte etwas in ihr, wenn sie sich Chris und Jane gemeinsam vorstellte … Vielleicht tat er ihr einfach nur leid.
Dieser Gedanke machte Cat Mut, ihm tröstlich zuzulächeln.
»Es geht mir wirklich gut, Chris. Die Beits sind nicht immer ganz einfach, aber Mr. und Mrs. Hansen sind sehr freundlich. Sie … sie verlangen nicht, dass ich …«
Cat brach ab. Der zweite Grund für ihre Unzufriedenheit in Nelson wog deutlich mehr als die Launen ihrer Dienstherrschaft. Es ging dabei um den Ruf, mit dem »das Maori-Mädchen«, oft auch »das Maori-Liebchen« oder »die Wilde« genannt, in Nelson kämpfte. Es war ein schwerwiegender Fehler gewesen, Mrs. Robins am ersten Tag ihre Geschichte zu erzählen. Aber Cat hatte ja nicht wissen können, wie der Tratsch, den die Wirtin gleich darauf in der Siedlung verbreitete, von den Leuten aufgenommen wurde. Cat hatte Mrs. Robins nichts Kompromittierendes berichtet. Was war schließlich anstößig daran, als Pflegetochter einer Maori-Adligen und Heilerin aufzuwachsen?
Die Frauen von Nelson hatten sich dennoch auf die Geschichte gestürzt wie die Geier. Schon am selben Morgen hatte Mary auf dem Markt gehört, Cat habe an Feldzügen teilgenommen und die Feinde ihres Stammes in Stücke geschlagen, wenn nicht gar gegessen. Natürlich habe sie mit praktisch allen Männern des Stammes das Lager geteilt – wahrscheinlich Mrs. Robins ’ Interpretation der Nächte im gemeinschaftlichen Schlafhaus. Und auch die Ursprünge der anderen Gerüchte konnte Cat bei näherer Überlegung ausmachen – Mrs. Robins hatte sie schließlich begierig nach den Bräuchen der Maori befragt, und Cat hatte unbefangen geantwortet. Wie hätte sie ahnen können, dass zum Beispiel ihre Erklärungen zum Kannibalismus in Polynesien derart verfremdet werden würden?
Aber ob es nun allein Mrs. Robins war oder ob viele Frauen an den Geschichten, die über Cat im Umlauf waren, herumgesponnen hatten – eine Chance, das alles richtigzustellen, hatte die junge Frau nicht. Sobald Cat sich aus der Tür der Beits hinausbegab, begann für sie ein Spießrutenlaufen. Bestenfalls hörte sie Schmähungen. Junge Männer riefen ihr zotige
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