Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Bemerkungen zu, und nach Bekanntwerden der Einzelheiten über das Wairau-Massaker wurde sie mitunter mit faulem Obst oder gar Steinen beworfen und nicht selten bedroht. Irgendwann kam das Gerücht auf, sie hätte sich selbst an den Gräueltaten gegen Wakefield und seine Männer beteiligt – die wahre Geschichte geriet darüber in Vergessenheit.
Zum Glück beteiligte sich niemand aus der Familie Beit am Klatsch auf der Straße. Mrs. Beit und ihre Kinder lebten so abgeschieden, dass sie wahrscheinlich gar nichts davon mitbekamen. Und Mr. und Mrs. Hansen zeigten sich verständnisvoll. Sie lernten Cat schnell als anstellig und umgänglich zu schätzen und glaubten ihr, als sie versuchte, die Gerüchte zumindest vor den Leuten zu entkräften, mit denen sie jeden Tag zusammen war. Bei Mary und bei Joey, dem Knecht und Hausdiener, gelang ihr das nicht vollständig. Die beiden betrachteten sie nach wie vor mit Argwohn.
Für Cat war all das sehr belastend, vor allem das Eingesperrtsein im Haus machte ihr zu schaffen. Te Ronga hatte sie gelehrt, in der Natur und mit der Natur zu leben, und nun fehlten ihr das Lied des Windes in den Bäumen, das Gurgeln der Bäche, die rote Pracht des Rata und die Majestät der Berge in der Ferne. Außerhalb der Arbeitszeit wusste sie sich auch kaum zu beschäftigen – bis Mary ein Groschenheftchen in ihrer gemeinsamen Kammer liegen ließ und Cat sich anschickte, die ersten Sätze zu entziffern. Bei Linda Hempelmann hatte sie sehr gut lesen gelernt, aber die Fertigkeit in den letzten Jahren natürlich nie geübt. Auch hatte sie damals stets Deutsch gelesen, während die Räuberpistolen, die Mary verschlang, auf Englisch verfasst waren. Cat stellte schnell fest, dass die Erinnerung an die Buchstaben wiederkehrte, und sie fand sich bald in die Unterschiede zwischen Schrift und Aussprache im Deutschen und Englischen ein. Schon nach kurzer Zeit verbrachte sie jede freie Minute mit Lesen, stibitzte auch mal Bücher aus der Bibliothek ihrer Herrschaft. Begeistert las sie Romane und Sachliteratur, verschlang Liebesgeschichten und Reiseberichte. Eigentlich war dies der einzige Lichtblick in Cats Leben – aber es half ihr nicht, zu entscheiden, wie es auf Dauer weitergehen sollte.
Chris schien ihr die Sorgen anzusehen. »Ich überlege mir was, Cat. Bestimmt!«, versprach er bemüht. »Vielleicht … vielleicht magst du ja mit uns kommen, also mit … Jane und mir. Wir … wir ziehen nach Canterbury.«
Cat hätte beinahe gelacht. »Nein. Nein, wirklich nicht. Entschuldige, wenn ich mich jetzt … unzivilisiert ausdrücke. Aber deine Jane … bevor ich mit der auf eine einsam gelegene Farm ziehe, gehe ich zurück zu Te Rangihaeata und lasse mich auffressen! Warum willst du sie heiraten?«
Chris runzelte die Stirn, peinlich berührt über die Direktheit ihrer Frage. »Das Land«, antwortete er ehrlich. »Sie bringt Land für eine Farm mit in die Ehe. Das Wichtigste ist das Land.«
Cat schüttelte den Kopf. »Nein«, wiederholte sie dann den Wahlspruch ihrer Pflegemutter. »Das Wichtigste sind die Menschen.«
KAPITEL 5
»Ich habe dich nicht verpetzt.«
Elsbeth schob sich vorsichtig näher an Ida heran, als ob sie sich an ihr wärmen wollte, und wisperte ihr die Worte zu. Die Schwestern hatten nicht offen miteinander reden können, seit ihr Vater die junge Frau am Tag zuvor mit Karl erwischt hatte. Jakob Lange hatte darauf bestanden, die Tür zu ihrem Zimmer offen zu halten, um ihre Gespräche mit anhören zu können. Ida hatte sich deshalb bereits gedacht, dass Elsbeth nicht die Verräterin sein konnte. Die Schwester stand offenbar selbst unter Verdacht.
»Es war Anton«, fuhr das Mädchen jetzt fort. »Ich habe ihm gesagt, du suchtest einen Abtritt, und so viel Zeit haben sie dir dann ja auch gelassen. Aber er ging sofort zu Vater, und als du nicht gleich wiederkamst …«
»Ist schon gut.« Ida seufzte und zog ihren Schal fröstelnd um sich.
Es war kalt im Boot auf dem Moutere River – in der Nacht hatte es einen Frosteinbruch gegeben, und die Landschaft am Fluss war zu einem unwirklichen Traum aus vereisten Palmblättern und Farnwedeln erstarrt. Mr. Partridge hatte den Siedlern denn auch abgeraten, gleich an diesem Tag zur Missionsstation umzuziehen. Ein solches Wetter, so meinte er, halte sich in dieser Gegend nie lange, es sei besser, einfach abzuwarten, bis es wieder taue. Die Deutschen wollten davon aber nichts hören. Hatten sie doch viel zu lange auf eigenes Land und eine
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