Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Parzellen müssen erst genau ausgemessen werden, Wakefield schickt uns da in der nächsten Zeit Landvermesser. Vorher sollten wir keine Bebauung planen, das gibt nur böses Blut, falls dann ein Haus halb auf der Parzelle eines anderen steht … Und es gibt ja auch so genug zu tun! Jetzt gehen wir erst mal hinauf zur Missionsstation und danken Gott für die sichere Reise und das fruchtbare Land, die Frauen sind bestimmt auch froh, ein bisschen ins Warme zu kommen. Danach stellen wir die Zelte auf für heute Nacht – und bis dahin sollten auch die Boote mit dem Bauholz da sein. Das laden wir heute noch ab. Morgen werden dann Hütten gebaut, mit aller Kraft, die Gott uns gewährt! Die anderen Familien warten in Nelson. Und du weißt doch: Hochzeit gefeiert wird erst, wenn alle da sind und jeder ein Dach über dem Kopf hat.«
Um auf keinen Fall Zeit zu verlieren, hatten die Männer sich tatsächlich zum Ankauf einer Fuhre Bretter entschlossen, statt schon das Holz für die vorläufige Barackensiedlung hinter der Missionsstation selbst zu schlagen. Aus diesem Material sollten in wenigen Tagen einfache Hütten errichtet werden. Aber selbst Ida hatte beim Verladen gesehen, wie viele Astlöcher die Bretter aufwiesen und wie billig sie verarbeitet waren. Das war kaum mehr als Abfallholz. Die daraus erstellten Hütten würden Wind und Regen zwar gerade so abhalten, sie zu heizen würde jedoch ein Albtraum sein.
Nun, diesem Problem würde sie sich stellen, wenn es auftauchte – jetzt sehnte sie sich nur noch nach einem warmen Plätzchen.
So schnell, wie sie sich das erhoffte, sollte es jedoch nicht gehen. Die Pastoren kamen den Siedlern bereits entgegen, trugen feierlich ein Kreuz und stimmten nun einen Choral an. Das erste Dankgebet wurde also gleich am Anlegesteg gesprochen, und dann ging es hinauf zur Station, wo man sich zu einem kleinen Gottesdienst auf dem Gelände des zukünftigen Lagers versammelte. Es wehte ein bitterkalter Wind, aber der Platz bot einen wunderschönen Ausblick über das Tal, und bei allem Frost und aller Unterkühlung – Ida konnte nicht umhin, ihn zu genießen. Das Schachtstal war unvergleichlich schön – Morgen um Morgen flaches, sicher fruchtbares Grasland, jetzt frostweiß, geteilt von einem silbern schimmernden Band, das sich wie eine Schlange hindurchwand – dem Fluss Moutere. Bald würde es überall grünen, und im nächsten Jahr, wenn die erste Getreideernte nahe war, würde es goldgelb leuchten. Und wie schön würde es erst aussehen, wenn schmucke Bauernhöfe sauber angelegte Wege säumten, wenn in den Gärten Blumen blühten und Gemüse heranwuchs, wenn Rinder auf fetten Weiden standen, bunte Hennen auf den Misthaufen herumkratzten und Schweine sich im Uferschlamm suhlten …
Ida empfand plötzlich ehrliche Vorfreude auf ihr neues Leben. Gut, in Nelson hatte sie es bequemer gehabt und sich freier gefühlt als in Raben Steinfeld. Aber auch in Mecklenburg war das Leben schön gewesen! Und hier waren die Sommer wärmer und die Winter längst nicht so hart wie in Deutschland. Die Felder und Gärten würden reiche Frucht tragen – vielleicht musste sie sich dafür auch weniger abrackern, als sie es zu Hause getan hatte. Ida verdrängte den Gedanken an die Plackerei auf den Kartoffelfeldern. Sie wollte sich an diesem Tag nur an die guten Momente des Dorflebens erinnern – und wenn sie sich unter den Siedlern umsah, erkannte sie in den Augen der anderen, dass es ihnen ähnlich ging. Frau Brandmann leuchtete geradezu von innen, Frau Krause hielt glücklich ihr neugeborenes Kind – das erste Siedlerkind in Neuseeland –, und alle sangen inbrünstig die alten Lieder zum Lobe Gottes. Nur Elsbeth schien nicht beeindruckt.
»Wenn ich nicht bald ins Warme komme, schreie ich!«, drohte sie Ida.
Auch Franz quengelte. Er wirkte völlig verfroren und blass, Ida machte sich Sorgen um ihn. Auf jeden Fall musste er dringend unters Dach.
Kurz darauf drängten sich die Frauen und Kinder dann wirklich vor der Feuerstelle im Haus der Missionare – das natürlich viel zu klein für diesen Andrang war.
»Wir werden ein eigenes Versammlungshaus brauchen!«, erklärte Frau Brandmann. »Und eine richtige Kirche.« Zur Missionsstation gehörte nur eine provisorische, zugige Kapelle. »Aber das haben die Männer ja gestern schon beschlossen. Die Kirche wird das erste Gebäude in Sankt Paulidorf!«
Dann versuch wenigstens, auf deinen Vater und die anderen einzuwirken, dass sie nicht als Erstes eine
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