Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Durchfällen danieder.
Ida hatte sich noch nicht an solche Experimente herangetraut, dazu fehlte es ihr schlicht an Kraft. Dabei machte es ihr nichts aus, hart zu arbeiten, auch in Raben Steinfeld hatte sie auf den Feldern und im Garten geschuftet. Damals hatte es die Nächte jedoch nicht gegeben, in denen Ottfried sie bedrängte. Ida wusste nicht, wie die anderen Frauen das aushielten – vielleicht waren ihre Männer ja weniger agil, oder sie selbst waren weniger empfindlich. Ida hasste es jedenfalls nach wie vor, wenn Ottfried sich auf sie warf, hart in sie stieß und den Akt so oft er nur konnte wiederholte. Sie ertrug seinen Atem nicht an ihrem Hals, wenn er anschließend halb über ihr liegend einschlief. Sein Schnarchen raubte ihr den Schlaf, seine Umarmungen verursachten bei ihr Beklemmungen. Erholen konnte sie sich eigentlich nur, wenn er in Nelson war – und zum Glück fuhr er recht häufig dorthin.
Ottfried galt als der junge Mann mit den besten Englischkenntnissen und dem gefestigtesten Charakter. Seine Teilnahme an Wakefields Expedition nach Wairau hatte ihm größte Achtung sämtlicher Siedler eingebracht, und so betrauten ihn die Ältesten der Siedlung immer wieder mit Besorgungen in Nelson. Dann nahm er meist am Morgen ein Boot und kam erst am Abend des nächsten Tages zurück, mitunter musste er sogar zwei Tage auf die bestellten Waren warten. Ida genoss die Freiheit, bezahlte sie aber mit einer umso schlimmeren Nacht, wenn Ottfried zurückkehrte. Er roch dann stets nach Alkohol – auch in den Tagen darauf. Ida fand das seltsam, bis sie schließlich eine Whiskeyflasche bei seinem Werkzeug entdeckte. Offenbar zweigte er bei seinen Geschäften für die Siedler Geld für Besuche im Pub und persönliche Einkäufe ab. Ida hatte kurz darüber nachgedacht, das zu melden, aber dann war er nach Hause gekommen, um ein vergessenes Werkzeug zu holen, und hatte sie mit dem Whiskey entdeckt … Seitdem hatte sie noch mehr Grund, sich vor ihm zu fürchten. Eigentlich hatte sie jetzt erst einen richtigen Grund – die nächtlichen Behelligungen hatten schließlich alle Frauen zu ertragen. Das gehörte zum Eheleben, wie Stine Krause ihr noch einmal vorhielt, als sie es schließlich nicht mehr aushielt und sich der jüngsten der anderen Ehefrauen anvertraute. Die Männer könnten nichts dafür, sie täten ihren Frauen ja nicht absichtlich weh.
»Im Gegenteil, damit beweisen sie uns ihre Liebe!«, behauptete Stine fest. »Schließlich schenken sie uns damit unsere Kinder.«
Aber der Schlag, den Ottfried Ida versetzt hatte, als sie ihn mit ihrem Verdacht konfrontierte, war brutal und wohlüberlegt gewesen. Und er würde ihr durchaus erneut absichtlich wehtun, wenn sie sein Geheimnis verriet.
»Ich handle ja auch gute Deals für die Gemeinde aus!«, rechtfertigte sich Ottfried später, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. Statt weiter zu drohen, redete er auf die eingeschüchterte Ida ein. »Da ist es nur recht und billig, wenn ich dafür eine kleine Vergütung erhalte.«
Ida rieb sich geistesabwesend die Wange, als sie daran dachte, dann kämpfte sie ihre erneut aufflackernde Angst entschlossen nieder. Irgendjemand musste ihrem Vater, Ottfried und den anderen vor Augen führen, dass Gott, wenn er denn überhaupt mit dieser Überschwemmung zu tun hatte, nur eine einzige Botschaft für sie hatte: Siedelt woanders!
»Wir werden die Anlage der Häuser einfach noch einmal überdenken, darüber beten und … Deshalb bin ich eigentlich gekommen, Ottfried … Gott für das Wunder zu danken!« Jakob Lange hob freudig die Arme gen Himmel und wies dann auf die kleine Erhebung in der Ebene, auf der sich der schon recht ansehnliche Rohbau der Kirche erhob. »Sieh, Junge! Und du auch, Ida! Gott hat uns sein Missfallen über einige unserer Taten gezeigt, aber sein Haus hat er verschont! Führen wir sein Werk also fort! Morgen sollte der Boden so weit getrocknet sein, dass wir von Neuem beginnen können!«
»Und wenn so was wieder geschieht?«, fragte Ida provokant. »Wenn der Fluss wieder über die Ufer tritt? Denkt ihr gar nicht daran, was Karl …« Sie kam nicht dazu, das weiter auszuführen.
»Erwähne diesen Namen nicht noch einmal!«, donnerte Lange, und Ottfried fasste seine Frau hart am Arm.
»Ich werde nicht dulden, dass du die Dummheiten dieses Tunichtguts weiter verbreitest. Dieses Land ist uns von Gott gegeben – es ist wunderschön.«
»Und wir werden uns seiner würdig erweisen!«, fügte Lange
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