Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
hinzu. »Allerdings könnte es wirklich sinnvoll sein, ein paar Entwässerungsgräben auszuheben.«
Die Siedler beschäftigten sich eine Woche lang damit, ihre Parzellen mit Gräben zu umgeben, aber dann verloren sie die Lust daran. Das Wetter war wieder strahlend schön, die Verlockung, mit dem Hausbau und dem Anlegen der Felder fortzufahren, wurde übermächtig. Ottfried verlegte sein Haus hundert Schritte weiter weg vom Fluss, und nun, da die Tage länger waren, fand er jeden Tag ein paar Stunden Zeit, daran zu arbeiten. Er stellte auch seine Brüder dazu an, und sein Vater half, sooft er konnte. Das Blockhaus wuchs in rasantem Tempo, sehr bald würden sie einziehen können. Ida begann erneut mit der Anlage ihres Gartens. Wieder grub sie um, legte neue Beete an.
Mitte Februar trat der Moutere erneut über die Ufer. Diesmal geschah es an einem Werktag und wurde wenigstens sofort bemerkt. Obwohl viele ihre Arbeit in den Gärten und auf den Baustellen unterbrochen hatten, als es zu regnen begann, fanden sich doch noch genügend Leute auf den Baustellen, um das Ansteigen des Wasserstands zu registrieren und die anderen zu Hilfe zu rufen. Männer und Frauen eilten unverzüglich zu ihren Parzellen, um sich der Flut entgegenzustellen. Ottfried und die anderen Männer stapelten Säcke, die Kinder und Frauen mit Erde und Steinen füllten, und Ida schwang stundenlang verzweifelt die Hacke, um die unbefestigten Gräben, die Ottfried nach der ersten Flut angelegt hatte, freizuhalten. Dabei durchnässte der Regen sofort ihre Haube, rann ihr in die Augen und durchfeuchtete ihre Röcke, was jede Bewegung zu Schwerstarbeit machte. Ida keuchte vor Anstrengung und schluchzte schließlich vor Erschöpfung, als sie obendrein stolperte und kaum wieder auf die Beine kam, weil das abfließende Wasser an ihren Röcken zerrte. Aber sie gab nicht auf, und auch die anderen Männer und Frauen kämpften um ihre Parzellen oder die Bauplätze für die Schule und die Kirche. Als der Regen schließlich nachließ, waren alle zu Tode ermüdet, die Schäden waren nicht mit denen der ersten Flut vergleichbar.
»Lasst uns Gott dafür danken!«, rief Pastor Wohlers.
Ida fragte sich, woher er die Kraft dazu nahm. Sie selbst wollte sich nur noch ihrer nassen Sachen entledigen und schlafen. Aber die Missionsstation war auch dieses Mal nicht von der Flut betroffen. Sie lag zu hoch. Die Pastoren hatten natürlich in der Siedlung geholfen, sich jedoch nicht so verausgabt wie die Menschen, die um die Früchte ihrer eigenen Arbeit kämpften.
»Gott der Herr ließ uns diesmal nicht allein im Kampf gegen die Elemente!«, verkündete auch Jakob Lange als Vorbeter.
»Es hat ja auch nur drei Stunden lang richtig geregnet«, murmelte Stine Krause und drückte ihr Kind an sich.
Die junge Frau wäre vor Angst fast gestorben, als der urplötzlich steigende Fluss beinahe das Körbchen mit ihrem Baby weggespült hätte, das sie in einer Ackerfurche am Rande des Feldes, auf dem sie arbeitete, abgestellt hatte.
Einen Tag später erklärte ein sehr verlegener Johann Krause den Dorfältesten, die Gemeinde könne über seine Parzelle verfügen. Er beabsichtige, mit Frau und Kind nach Nelson zu ziehen.
»Aber wir hatten es jetzt doch gut unter Kontrolle!«, wandte Brandmann ein. »Es wurde kaum etwas zerstört … und wenn wir die Gräben noch etwas befestigen …«
»Darauf wollen wir uns nicht verlassen«, beharrte Johann Krause. »Meine Frau hat genug – sie hat so hart auf unserem Grundstück gearbeitet, und jetzt ist wieder alles überflutet, sie müsste zum dritten Mal neu anfangen mit dem Umgraben und Pflanzen. Dabei ist sie wieder guter Hoffnung. Es wird zu schwer hier für sie, sie will nicht mehr. Zumal es ja ausreichend andere Arbeit gibt. Ich werde ein Haus in der Stadt mieten und mich beim Straßenbau verdingen. Der Entschluss steht fest. Ich nehme das nächste Boot und hole Stine und den Kleinen nach, sobald ich alles geregelt habe.«
Ida beneidete Stine Krause glühend, als ihr Johann nach wenigen Tagen aus Nelson heimkehrte und gute Nachrichten mitbrachte. Er hatte sofort eine Stelle gefunden – sogar in seinem Handwerksberuf als Wagner. Und Stine konnte bei Partridges im Laden mithelfen.
Auch Mrs. Partridge war zur übergroßen Freude der Familie wieder schwanger und sollte entlastet werden. Stine verabschiedete sich tränenreich, aber erkennbar erleichtert von Ida und den anderen Frauen, während ihr Mann die Habseligkeiten der Familie auf ein
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