Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
mochten in ihrem Entschluss, ihrerseits zu bleiben, schwankend werden. »Ist das nicht ein Grund zum Freuen? Endlich wieder Nutzvieh, Milch für die Kinder! Es geht aufwärts, liebe Freunde! Nun, wer will eine der Kühe übernehmen? Wer kann melken?«
»Er sollte lieber fragen, wer die am höchsten gelegenen Weiden hat«, brummte einer der Siedler neben Ottfried und Ida. »Damit uns die Rindviecher nicht bei der nächsten Flut ersaufen.«
»Und ich dachte, die Bereitstellung der Rinder würde ausreichen, um die Stimmung zu heben«, meinte Wohlers später unglücklich.
Die Brandmanns hatten die Missionare und auch Ida und Ottfried zum sonntäglichen Mittagsmahl geladen. Ein fürstliches Mahl – Ottfrieds jüngerer Bruder Erich hatte am Vorabend eher zufällig einen der seltsamen Vögel aufgeschreckt, die es hier im Wald gab und die nicht tagsüber sangen, wie man es von einem ordentlichen Vogel erwarten konnte, sondern nachts herumwanderten und schrille Pfiffe ausstießen. Das Tier hatte sich leicht fangen und töten lassen, jetzt brutzelte es über dem Feuer bei Frau Brandmann, und der Familie und den Gästen lief bereits das Wasser im Munde zusammen.
»Die Leute sind überarbeitet und verbittert nach den Rückschlägen. Und nun kommt auch noch der Herbst.«
»Es sind die Weiber!«, erregte sich Peter Brandmann. »Denen fehlt es an Durchhaltevermögen, am richtigen Geist und am festen Glauben. Sie hetzen die Männer auf.«
Ida fuhr herum. Sie war gereizt nach dem Weggang der drei Familien, zumal Stine Krause ihre einzige halbwegs Vertraute gewesen war. Und sie hatte Elsbeths Klagen noch im Ohr. Vielleicht würde sie es nachher bereuen – Ottfried rügte sie in der letzten Zeit immer häufiger, wenn sie etwas Falsches sagte oder sich rechthaberisch, wie er sich ausdrückte, zeigte. Neuerdings schreckte er auch vor Strafen nicht zurück. Er ließ den Druck, unter dem er stand, und die Sorgen, die sicher auch er sich um den Bestand der Siedlung machte, an Ida aus. Aber jetzt konnte sie nicht an sich halten.
»Uns fehlt es nicht an Durchhaltevermögen und Geist, uns fehlt es an Kleidung, Hausrat und Vorräten!«, sagte sie mit fester Stimme und wandte sich an den Missionar. Vielleicht waren die Pastoren ja einsichtiger als der Ältestenrat der Siedler. »Wir leben seit gut einem halben Jahr in diesen behelfsmäßigen Hütten, wir kochen auf offenen Feuern, und manchmal teilen wir uns mit drei Familien einen Topf. Wir kämpfen mit der Rattenplage, in den zugigen Häusern sind die Kinder dauernd krank, und wir arbeiten den lieben langen Tag auf den Feldern und in den Gärten. Ist es da ein Wunder, wenn wir genug haben, wenn es dann auch noch … Rückschläge gibt?«
Das Wort Rückschläge wollte ihr nicht ohne spöttischen Beiklang über die Lippen – zumindest das würde Ottfried sie nachher zweifellos bereuen lassen. Aber Pastor Wohlers, ein großer, glatzköpfiger Mann mit sanften, wässerig blauen Augen unter dichten, hellen Brauen, hörte aufmerksam zu. Sankt Paulidorf und seine Bewohner lagen ihm am Herzen. Und erstaunlicherweise nickte auch Frau Brandmann.
»Ja. Sie hat Recht«, unterstützte sie ihre Schwiegertochter, wenn auch nicht, ohne sie gleich wieder indirekt zu tadeln. »Die jungen Frauen waren ja nun auch so gar nicht umsichtig, sie haben doch fast nichts mitgebracht aus der alten Heimat. Und jetzt fehlt es oft am Nötigsten … Und sie vergällen den Männern durch ihre Klagen das Leben. Sie brauchen unbedingt etwas, das sie ablenkt. Kühe sind schon gut. Aber ihr solltet auch Schafe, Ziegen und Schweine kaufen …«
»Die gibt es nicht«, meinte der Pastor bedauernd.
»Vielleicht gibt es ja wenigstens Katzen und Hunde, die etwas gegen die Rattenplage bewirken!«, warf Ida erneut ein. »Und Hausrat gibt es ganz sicher, der Laden der Partridges ist voll davon.«
Der Pastor nickte und hob wie segnend die Hände. »Wir sollten uns das durch den Kopf gehen lassen«, meinte er dann milde. »Es ist nicht recht, wenn die Frauen den Männern durch Nörgeleien das Leben vergällen, aber es ist auch nicht recht, wenn ihnen die Dinge verwehrt bleiben, die sie brauchen, um ihre Pflichten zu erfüllen. Frau Ida, wie wäre es, wenn Sie Ihren Mann bei seinem nächsten Besuch in Nelson begleiten? Die Gemeinde wird Sie mit etwas Geld ausstatten, die Frauen können Ihnen Ihre Wünsche vortragen – in vernünftigem Rahmen natürlich –, und Sie werden versuchen, dem, so weit die finanziellen Mittel das
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