Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Götterfiguren.« Er zeigte auf den Hals einer der Frauen, die eine solche an einem Lederband trug. »Aber Omaka sagt, sie hätten dir keinen hei-tiki schenken wollen, weil sie nicht wüssten, ob du so etwas magst. Ein paar Missionare haben wohl sehr unfreundlich auf solch ein Geschenk reagiert.«
Das konnte Jane sich gut vorstellen. Nicht auszudenken, dass ein Pastor Wohlers oder jemand wie Lange oder Brandmann ein heidnisches Amulett annahmen. Ihr selbst war das allerdings ziemlich egal.
»Wie sagt man denn danke, Chris?«, erkundigte sie sich und wich dann erst einmal zurück, als die Frau, die Chris Omaka genannt hatte, sich ihr näherte und Anstalten machte, sie zu umfangen. »Was soll das denn jetzt?«, fragte sie ängstlich. »Was will sie?«
»Sie will den traditionellen Gruß mit dir tauschen«, meinte Chris, wieder sehr unsicher. »Den hongi . Dazu legt man Nasen und Stirn aneinander, um den … den Atem des anderen zu spüren … Es … es tut mir leid, Jane, ich … Vielleicht hätte ich dich darauf vorbereiten sollen.« Er fügte die Entschuldigung hinzu, als er Janes indigniertes Gesicht sah.
Aber Jane beherrschte sich eisern. Sie hatte sich all das hier nicht ausgesucht, und an sich war es ihr zutiefst zuwider, anderen Menschen zu nahezukommen. Wenn es allerdings ihren Zwecken diente, würde sie die Berührung mit der Maori-Frau nicht scheuen. Mit einem etwas gezwungenen Lächeln ergab sie sich in die Bewegung. Omaka legte ihr die rechte Hand auf die Schulter, zog sie an sich und berührte ihre Nase sanft mit der eigenen. Zu Janes Verwunderung roch die Maori-Frau nicht unangenehm, sondern frisch und erdig nach Kräutern und Blumen.
Auf den Tausch des hongi mit der Stammesältesten folgte vergnügtes Lachen und Applaudieren der anderen Frauen sowie Hares und Kutus. Jane konnte sich des Ansturms kaum erwehren, als jetzt weitere Frauen den Gruß mit ihr tauschen wollten, sicherlich auch, um herauszufinden, wie die fremde Weiße von Nahem aussah, wie sich ihre Haut anfühlte und wie sie roch.
Schließlich machte Jane der Sache ein Ende, indem sie alle Frauen mit einer Handbewegung in Richtung ihres Hauses bat. »Sag ihnen, ich fühle mich von ihrem Besuch geehrt und möchte ihnen gern eine Erfrischung anbieten«, befahl sie dem überraschten Chris.
Und dann wühlte sie in den rasch geöffneten Reisetruhen nach dem Service aus Meißener Porzellan, auf dessen Mitnahme ihre Mutter bestanden hatte. Es gibt keinen Grund, Lebensart und gute Erziehung in der Wildnis zu vergessen!, hatte sie gesagt. Es mag sich immer eine Lady finden, die du zum Tee bitten möchtest, und dann servierst du ihn doch nicht wirklich aus irdenen Bechern! Jane hätte beinahe gelacht, als sie nun an die Bemerkung ihrer Mutter dachte. Ganz sicher hatte diese dabei nicht an eine gesellige Runde mit dunkelhäutigen, blau tätowierten Ladys gedacht! Aber Chris’ Auswahl an Tassen und Tellern reichte einfach nicht, um sie alle zu bewirten.
Die Maori-Frauen bedachten das feine Porzellan mit begeisterten Ohs und Ahs. Sie teilten sich jeweils zu zweit ein Tässchen und schlürften andächtig den schwarzen Kaffee daraus. Jane hätte auch gar nicht gewusst, wo Christopher den Tee aufbewahrte und in welchem Kessel man das Wasser dazu am besten erhitzte. Dafür fand sie ihr Zuckerzeug und verteilte es, wenn auch mit blutendem Herzen, großzügig an die Frauen und Kinder.
Und dann trugen ihre Bemühungen um die Gunst der Maori-Frauen auch schon Früchte! Ein paar jüngere Mädchen entdeckten die Reisetruhen, und Jane nutzte die Gelegenheit, sie beim Auspacken hinzuzuziehen. Sie hatte genau beobachtet, wer von ihnen schon das Porzellan mit besonderer Vorsicht und Begeisterung berührt hatte, und betraute die Betreffenden nun gleich mit dem Herausnehmen und Polieren der Kristallgläser, für die sich zwar keine Vitrine fand, aber erst mal ein Platz im Küchenschrank. Zwei andere Mädchen förderten verwundert Kleider und Korsetts aus den Truhen zutage. Jane bemühte sich um Geduld, als sie sich die Sachen kichernd anhielten. Die meisten der Frauen trugen traditionelle Maori-Kleidung – gewebte Röcke und Oberteile. Zwei von ihnen, unter ihnen die wohl sehr ranghohe Omaka, liefen jedoch stolz in verwaschenen westlichen Kleidern herum. Sie mussten sie billig irgendwo erstanden haben, wahrscheinlich bei einem fliegenden Händler, der hier noch Sachen unter die Leute brachte, die die Siedler längst weggeworfen hatten. Jane überlegte,
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