Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Unsicherheit erahnen. Bestimmt war es die Frau eines Siedlers, die nicht häufig in die Stadt kam. Sie sah aus wie eine Bäuerin. Ob sie Cat Schutz bieten konnte, war mehr als fraglich. Aber Cat hatte keine Wahl mehr. Sie stürzte an den Pferden vorbei und zog sich blitzschnell auf den Bock des Wagens.
»Fahren Sie los!«, rief sie der Frau dabei zu. »Bitte! Ich werde verfolgt! Ich erklär’s Ihnen gleich.«
»Was?« Ida hatte das Mädchen mit geschürztem Rock und wehendem Zopf heranhasten sehen, so schnell verstand sie die in raschem Englisch ausgestoßene Bitte jedoch nicht. Sie hatte die Sprache zu lange nicht gesprochen. »Wie?«
»Fahren Sie!«, wiederholte Cat verzweifelt auf Deutsch.
Jetzt sah Ida die Männer auch schon hinter der Hausecke vorkommen.
»Da ist sie!« Die Kerle wiesen auf Cat auf dem Bock.
Ida war sofort klar, dass sie in Schwierigkeiten war. Dennoch zögerte sie kurz. Ob Ottfried es gutheißen würde, wenn sie jetzt einfach losfuhr? Womöglich hatten die Männer ja einen Grund, die blonde Frau zu verfolgen? Vielleicht hatte sie gestohlen oder …
»Los, beeilen Sie sich!«, rief Cat.
Ida folgte ihrem Instinkt. Die Kerle sahen nicht aus, als wären sie Polizisten oder betrogene Geschäftsleute. Sie sahen bedrohlich aus – lüstern und böse. Ida ließ die Zügel auf die runden Hinterteile der Pferde klatschen. Sie war keine geübte Gespannfahrerin, aber gelegentlich hatte sie in Mecklenburg die Kaltblüter ihres Vaters gelenkt. Diese Pferde hier waren leichter und reagierten schneller. Der plötzliche Befehl zum Aufbruch, nachdem sie eben noch vor sich hin gedöst hatten, ließ sie einen erschrockenen Satz vorwärts machen und dann rasch antraben. Die drei Männer gerieten dabei fast unter ihre Hufe. Sie mussten sich zur Seite werfen und dann an die Hauswand drücken, um in der engen Straße nicht unter die Räder des Wagens zu kommen. Ida passierte sie aus nächster Nähe, sah ihre schweißnassen, wütenden Gesichter, die harten Augen. Nein, es war sicher richtig gewesen zu fliehen.
Während die Frau sich auf dem Bock neben ihr festklammerte, bemühte sich Ida, die Zügel zu ordnen. Sie befürchtete, das Gespann könne ihr zu schnell werden, aber die Pferde erwiesen sich als brav und gut erzogen. Sie ließen sich leicht zu einem ruhigeren Trab bewegen und dann zum Schritt durchparieren, als Ida die Männer weit genug hinter sich gelassen hatte. Die Kerle hatten wohl aufgegeben.
»Das war knapp«, sagte Cat. »Sie haben mich gerettet. Vielen Dank. Ich weiß nicht, ob ich ihnen sonst entkommen wäre …«
»Was … was wollten sie denn von dir?«, fragte Ida befangen.
Sie wunderte sich, dass die junge Frau Deutsch sprach. Vorhin hatte sie schließlich Englisch geredet. Aber sie schien in beiden Sprachen sicher zu sein.
»Na, was wohl?«, fragte Cat. »Was wollen schlecht gelaunte, betrunkene Männer, wenn ihnen auf einer einsamen Straße eine Frau begegnet? Noch dazu eine, von der sie meinen, sie sei leicht zu haben?«
Ida biss sich auf die Lippen. Sie war unsicher. Woher sollte sie das wissen? Natürlich hatte sie eine Ahnung, das hatte sie den Männern gleich angesehen – und in den Augen der jungen Frau stand Angst, das kannte sie nur zu gut von sich selbst. Aber das konnte doch nicht sein! Die Männer wollten nicht auf offener Straße das Gleiche mit der Blonden machen, was Ottfried im Dunkeln mit Ida tat!
»Ich … ich weiß nicht …«, murmelte sie. »Ich … ich kann’s mir denken, aber … aber das geht doch nicht … hier, auf der Straße …«
Cat zuckte die Schultern. »Da hätte sich schon ein Stall oder eine Hecke gefunden, hinter der’s nicht jeder gleich gesehen hätte. Und wenn’s einer gesehen hätte … So wie sie von mir reden, er hätte womöglich noch Beifall geklatscht.«
»Wie reden sie denn von dir?«, fragte Ida unschuldig. »Ich … ich bin nicht von hier … und ich kann auch kein Englisch. Also, nur ganz wenig … Ich bin aus Sankt Paulidorf, weißt du?«
Cat nickte. Im Hause der Beits war oft von den deutschen Siedlern die Rede gewesen.
»Wo kommst du her?«, fragte Ida weiter.
Sie lenkte die Pferde etwas unschlüssig am Fluss entlang. Eigentlich musste sie zurück zu der Straße hinter der Pension, Ottfried würde sie ja dort abholen. Doch erst wollte sie sichergehen, dass die drei Schläger von dort verschwunden waren.
»Aus Wairau«, sagte Cat.
Sie war unschlüssig, wie viel sie von sich preisgeben sollte. Die junge Frau
Weitere Kostenlose Bücher