Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
verstehst du, Ida?« Mrs. Partridge klang so stolz, als hätte sie Chris persönlich dabei unterstützt. »Wie haben Sie das nur gemacht, Mr. Fenroy? Sie müssen uns alles erzählen, während wir ein Kleid für Ihre junge Freundin heraussuchen. Sie werden so hübsch sein, Kind, wenn Sie erst wieder zivilisiert angezogen sind! Und wie geht es Captain Wakefield, Mr. Fenroy? Und den anderen? In Gefangenschaft bei den Wilden … Aber sicher löst man sie bald aus!«
Wieder verstand Ida nur die Hälfte von dem, was Mrs. Partridge ihr mit Händen und Füßen kundtat, las aber im Gesicht des braunhaarigen Fremden, dass der Optimismus ihrer redefreudigen Gastgeberin nicht angebracht war. Und dann erfuhr sie als Erste der Einwanderer von der Sankt Pauli vom Massaker in der Wairau-Ebene. Christopher Fenroy schilderte die Hinrichtung der Gefangenen, und als Ida beunruhigt nachfragte, übersetzte Cat den Bericht widerwillig auf Deutsch. Sie beschränkte sich auf knappe Worte, es reichte jedoch, um Ida zu ängstigen. Bislang hatten alle recht freundlich von den Maori gesprochen – aber nach dieser Angelegenheit … Konnte man wirklich friedlich mit ihnen zusammenleben?
Fast noch mehr erschreckte sie allerdings die Reaktion ihres Vaters, als sie gleich darauf an seine Tür klopfte, um ihm und Anton von den Ereignissen zu berichten. Jakob Lange hörte gelassen zu, ohne Entsetzen oder Trauer zu zeigen. Erst als Ida geendet hatte, raffte er sich zu einem Kommentar auf.
»Das ist natürlich furchtbar und sehr bedauerlich für die Betroffenen und ihre Familien. Aber vielleicht sollte es so sein. Denn jetzt wird die Obrigkeit wohl nicht mehr zögern, Truppen zu schicken. Gott will, dass diese Heiden ein für alle Mal vertrieben werden von unserem Land!«
Schachtstal
Nelson, Sankt Paulidorf
1843–1844
KAPITEL 1
»Mr. Fenroy! Was für eine Überraschung! Sie sind zurück! Haben die Wilden Sie freigelassen? Und wen bringen Sie uns da mit?«
Christopher hatte nicht wirklich damit gerechnet, in die Pension kommen zu können, ohne die Aufmerksamkeit der wachsamen Mrs. Robins auf sich zu ziehen. Dennoch zuckte er zusammen, als er ihre laute, tiefe Stimme hörte.
»Was für ein entzückendes Mädchen!«, fuhr Mrs. Robins fort. »Aber Sie wollten sich hier doch wohl nicht heimlich mit ihr einschleichen?«
Mrs. Robins ’ Bemerkung klang tadelnd, in ihren Augen stand allerdings der Schalk. Sie hielt Chris Fenroy offenbar für anständig. Die Gastwirtin leuchtete Cat mit ihrer Kerze ins Gesicht und begutachtete ausführlich ihre Züge, ihr Kleid und ihr Haar – wobei wohl alles zu ihrer Zufriedenheit ausfiel. Nun hatte Mrs. Partridge, als sie ihr erstes Erschrecken überwunden und Christopher ihr Beileid zum Verlust Mr. Cotterells ausgesprochen hatte, auch keine Mühen gescheut, die blonde Maori in eine perfekte junge pakeha zu verwandeln. In Anbetracht der Umstände hatte sie ein schlichtes dunkelbraunes Kleid für sie gewählt, das aber sehr gut saß und Cats schlanke Taille ganz ohne Korsett betonte. Natürlich wies es lange Ärmel auf und war hochgeschlossen, höher, als Cat es je bei einer anderen Frau außer bei Linda Hempelmann gesehen hatte. Mrs. Partridge hatte ihr Wasser zum Waschen gebracht und ihr langes blondes Haar zu einem züchtigen, nicht allzu festen Knoten gewunden. Ein paar Strähnen stahlen sich heraus und umspielten Cats hübsches Gesicht. Nicht aufreizend, aber doch ihre Schönheit unterstreichend. In Christophers Augen hatte sich sofort Bewunderung abgezeichnet – und auch in dem gutmütigen Gesicht von Mr. Partridge hatte freundliches Interesse gestanden. Cat hatte sich daraufhin sofort besser gefühlt. Keiner der pakeha schien eine Hure in ihr zu sehen.
»Wo denken Sie hin, Mrs. Robins!«, empörte sich Christopher denn auch eher gespielt. »Niemals würde ich Miss Cat derart kompromittieren, dass ich allein auf ein Zimmer mit ihr ginge, erst recht nicht heimlich. Aber Spaß beiseite, wir haben sehr traurige und alarmierende Neuigkeiten, und so leid es mir tut, wir werden Mr. Tuckett trotz der späten Stunde noch damit behelligen müssen. Ich …«
Er hielt inne, als Mrs. Robins bedauernd den Kopf schüttelte. »Mr. Tuckett ist nicht da. Er ist mit seinem neuen Gehilfen, Mr. Jensch, gleich vorgestern nach Auckland aufgebrochen. Zu Mr. FitzRoy, dem Gouverneur, Sie wissen schon. Wegen Captain Wakefield …«
Christopher sah sich zum zweiten Mal in dieser Nacht genötigt, von der Hinrichtung zu
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