Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Kopf. »Nicht Catherine. Nur Cat. Und niemand ist mir je zu nahegetreten«, stellte sie richtig. »Ich habe bei den Maori gelebt.«
Sie konnte nicht wissen, was für eine Lawine sie lostrat, indem sie der klatschsüchtigen Wirtin ihre Geschichte erzählte.
Christopher verbrachte mehr Zeit im Magistrat, als er veranschlagt hatte. Er konnte Colonel Wakefield die Todesnachricht gerade noch überbringen, bevor sie sich als Klatsch verbreitete. Beinahe wäre ihm dabei noch ein Missionar zuvorgekommen, der fast zeitgleich mit ihm aus Wairau eintraf. Reverend Vincent Tate war ein älterer, tiefgläubiger Mann, der seit Jahren in der Gegend missionierte und ein gutes Verhältnis zu den Stämmen hatte, obwohl oder vielleicht gerade weil er kaum je einen Maori bekehrte. Rein durch Zufall war er bei den Ngati Toa vorbeigekommen und hatte von Te Rongas Tod und den darauf folgenden Ereignissen gehört. Te Puaha hatte ihn auf Weisung des Häuptlings zu den Toten geführt, und der Häuptling hatte ihm gestattet, die Leichen zu begraben, nicht aber, sie nach Nelson zu überführen. Tate hatte das mithilfe Te Puahas und einiger anderer Maori getan und war dann gleich mit dem Kanu, mittels dessen er sich auf den Flüssen zwischen den Dörfern bewegte, nach Nelson aufgebrochen. Nun ergänzte er Christophers Bericht für Colonel William Wakefield – und gleich danach standen beide auch einem Regierungsvertreter Rede und Antwort.
Gouverneur FitzRoy beriet sich zwar noch mit Tuckett und anderen Ratgebern, hatte nach Tucketts Ankunft allerdings sofort den Land Claims Commissioner William Spain in Marsch gesetzt, um die Siedler in Nelson an unüberlegten Handlungen zu hindern. Spain oblag die Aufsicht über jeden Landerwerb in Neuseeland, und der kleine, freundliche Mann, um dessen von einem Kinn- und Backenbart umgebenes ovales Gesicht ständig ein Lächeln zu spielen schien, brachte immer wieder das Kunststück fertig, einen erstklassigen Preis für die Einwanderer zu erzielen, ohne sich die Maori-Stämme zu Feinden zu machen. Mit Captain Wakefield war er dagegen nicht so gut ausgekommen. Spain war auf diverse Ungenauigkeiten beim Landerwerb durch die New Zealand Company gestoßen, und Wakefield hatte alles getan, um weitere Nachforschungen oder gar Nachverhandlungen mit den Maori zu sabotieren.
Nun befragte der Commissioner gelassen und freundlich alle Beteiligten, beginnend mit Christopher und Tate. Auch die anderen überlebenden Teilnehmer der Expedition sollten noch einzeln verhört werden. Tate bestätigte und ergänzte dabei im Wesentlichen Christophers Aussage: Te Rauparaha hatte sich durch Thompson und Wakefield provoziert gefühlt, und das hatte zweifellos Einfluss auf seinen Entschluss gehabt, Te Rangihaeatas Wunsch nach Rache für Te Ronga nachzukommen. Dabei hielt auch der Häuptling den Tod seiner Tochter für einen Unfall, er glaubte nicht, dass der Schuss gezielt abgefeuert worden war. Für die Hinrichtung der pakeha würde er sich nicht entschuldigen, aber er wollte auch keinen Krieg.
Spain nickte zu all dem und entließ Christopher und den Missionar, nachdem sie das Protokoll unterschrieben hatten. »Es sind wohl Fehler auf beiden Seiten gemacht worden«, meinte er bedauernd. »Sehr traurig für die Familien der Verstorbenen. Vor allem jedoch fatal für die weitere Besiedelung dieser Gegend. Eigentlich hätte ich in der nächsten Zeit mit dem Häuptling verhandeln sollen – ich war ihm schon avisiert, er war bereit, über die Wairau-Ebene zu sprechen. Jetzt wird diese Angelegenheit sicher Jahre ruhen müssen …«
Christopher berichtete Cat auf dem Weg zu Beits neu errichtetem großen Haus in der Nähe des Magistrats von Spains Untersuchung. Er hatte die junge Frau beim Spülen des Frühstücksgeschirrs in Mrs. Robins ’ Küche angetroffen. Die Wirtin, so berichtete sie, sei eben zum Markt gegangen.
»Wobei ich wirklich nicht weiß, was sie da noch kaufen will.« Cat beendete ihre Arbeit und hängte das Geschirrtuch ordentlich an den dafür bestimmten Haken. »Sie war heute Morgen schon beim Bäcker und beim Krämer und beim Fleischer … was braucht sie denn noch?«
Christopher grinste. »Publikum«, meinte er. »Sie brennt nur so darauf, alles herumzutratschen, was ich ihr gestern über Wakefield und die anderen Opfer erzählt habe. Immerhin ist der Bruder jetzt informiert, sie tritt also niemandem damit zu nahe – na ja, niemand Wichtigem. Ob die Frauen der anderen Toten schon benachrichtigt worden sind,
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