Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Mare Internum. »Meiner Ansicht nach werden wir schon bald auf die Perser treffen, in wenigen Tagen, und zwar in der Gegend zwischen Joppa und Diospolis. Wir werden als Erste dort sein, wenn wir allerdings ein günstiges Schlachtfeld wählen wollen, müssen wir abwarten, was uns unsere Späher über den Vormarsch der Perser berichten.«
»Bezieht man sämtliche bisher eingetroffenen Verstärkungen ein«, fügte Aventinius hinzu, »verfügen wir über ungefähr fünfundsechzigtausend Mann. Das ist mehr, als wir erwartet hatten, doch immer noch wenig im Vergleich zur Stärke unseres Gegners. Daher wird uns keine andere Wahl bleiben, als durch Strategie auszugleichen zu versuchen, was uns an Masse fehlt. Gelingt es uns, eine leicht zu verteidigende Stellung zu beziehen, haben wir den Vorteil auf unserer Seite.«
Der Kaiser, der bis dahin schweigend zugehört hatte, grinste matt. »General Siegericus würde jetzt vermutlich sagen, dass reine Verteidigung eines Römers unwürdig sei. Aber ich gebe Euch recht. In unserer Lage müssen wir umsichtig handeln. Wenn wir es schaffen, die Perser aufzuhalten, bis Kaiser Konstantin mit seinem Heer von Norden her eintrifft, haben wir schon sehr viel erreicht. Ich habe vorhin die Meldung erhalten, dass er bereits in Tripolis ist, aber seine Truppen sind erschöpft. Ihm bleibt keine andere Wahl, als dort zu rasten. Trotzdem, er ist nicht mehr weit entfernt. Es liegt an uns, ihm die Zeit zu verschaffen, die er benötigt, um sich mit uns vereinigen zu können, damit wir den Persern gemeinsam entgegentreten können.«
Keiner der Anwesenden machte sich Illusionen darüber, dass selbst die vereinigten Heere West- und Ostroms den Persern um fast neunzigtausend Mann unterlegen sein würden. Die Hauptschuld an dieser verfahrenen Situation, das war Rufus Scorpio klar, lag bei den Griechen. Ihr viel gerühmter Geheimdienst hatte gleich doppelt versagt. Nicht nur, dass er sich durch einige in persischem Sold stehende Doppelagenten über den Aufmarsch der Streitkräfte des Shahinshah hatte täuschen lassen, sodass Konstantins Armee weitab des wahren Kriegsschauplatzes stand, als der Angriff erfolgte. Nein, auch die gewiss nicht geringen Vorbereitungen zur Aufstellung des persischen Riesenheeres hatte er schlichtweg nicht wahrgenommen. Hinzu kamen die immensen Nachteile, die dem Imperium Orientalis aus seinen inneren Verhältnissen erwuchsen. Das Ostreich, bei Weitem reicher an Menschen als der Westen, hätte sicher ein weit größeres Heer aufstellen können als die hundertzehntausend Mann, die sich jetzt quälend langsam näherten; dann hätte die militärische Lage zumindest weniger düster ausgesehen. Doch in Ostrom lagen die höchsten Offiziersstellen in den Händen adliger Großgrundbesitzer, die unentwegt im Streit miteinander lagen, wer von ihnen wohl edler sei; kaum einer von ihnen war bereit, sich einem Konkurrenten unterzuordnen und dessen Befehlsgewalt anzuerkennen, was die Leistungsfähigkeit der Armee empfindlich schwächte. Auch die Aufstellung der schweren Reiterei, die den Kern der griechischen Armee bildete, lag in den Händen eben jener Adligen. Die Größe des Heeres hing zudem stark davon ab, wie viel von ihren märchenhaften Reichtümern die Großgrundbesitzer als Steuern abzuführen bereit waren, somit ergab sich eine gefährliche Lage. Keiner der Adligen war bereit, Geld zur Verfügung zu stellen und Cataphracte auszurüsten, ohne im Gegenzug ihnen angemessen scheinende Kommandos zu erhalten. Und schon gar nicht wollten sie ihre Reiter unter dem Befehl eines in ihren Augen unwürdigen Konkurrenten sehen oder gar sich selbst dessen Befehlen fügen müssen. Die Folgen dieser selbstsüchtigen Streitigkeiten waren schlimm. Viele der Grundherren zahlten ihre Steuern nicht, da sie ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt sahen; so fehlten dem Imperium bedeutende Summen, die zur Verstärkung des Heeres dringend gebraucht worden wären. Andere zeigten wenig Eifer beim Ausheben der Cataphracte, auf denen doch die oströmische Kriegskunst basierte. Und als Krönung spaltete ein endloses eifersüchtiges Gezänk die Spitze der Armee.
Diese Zustände waren schon zu Friedenszeiten ein Übel, doch im Kriege konnten sie sich katastrophal auswirken. Umso schlimmer, dass die adligen Truppenführer des Ostens selbst angesichts der persischen Bedrohung ihre privaten Fehden untereinander nicht ruhen ließen, sodass es den Anschein hatte, als hätte mancher der Adligen eher in
Weitere Kostenlose Bücher