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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wie üblich, nicht so schnell wach. Als Emily die Badezimmertür zumachte, hatte Charlotte es nur geschafft, die Decke zurückzuschlagen und sich auf die Bett kante zu setzen. Sie betrachtete verdrossen ihre bloßen Füße.
    Marty setzte sich neben sie. »Das nennt man Zehen.«
    »Mmmm«, sagte sie.
    »Die brauchst du, damit du die Enden deiner Socken ausfüllen kannst.«
    Sie gähnte.
    Marty sagte: »Wenn du Ballettänzerin werden möchtest, brauchst du sie dringend. Aber für die meisten anderen Berufe sind sie nicht so wichtig. Wenn du also keine Ballerina werden möchtest, könntest du sie wegoperieren lassen, entweder nur die großen oder alle zehn, das kommt ganz auf dich an.«
    Sie legte den Kopf schief und schenkte ihm eine »Daddy-ist-witzig-also-tun-wir-ihm-den-Gefallen-und-lächeln«-Miene. »Ich glaube, ich behalte sie.«
    »Wie du meinst«, sagte er und gab ihr einen Kuß auf die Stirn.
    »Meine Zähne fühlen sich pelzig an«, beschwerte sie sich. »Meine Zunge auch.«
    »Vielleicht hast du in der Nacht eine Katze gegessen.«
    Sie war immerhin so wach, daß sie kicherte.
    Im Bad ertönte die Toilettenspülung, einen Augenblick später ging die Tür auf. Emily sagte: »Charlotte, möchtest du allein sein, wenn du aufs Töpfchen gehst, oder kann ich jetzt duschen?«
    »Geh bloß duschen«, sagte Charlotte, »du riechst.«
    »Ach ja? Und du miefst.«
    »Du stinkst.«
    »Weil ich es will «, sagte Emily, der wahrscheinlich keine Steigerung für »stinken« mehr einfiel.
    »Meine höflichen Töchter, so feine Damen.«
    Als Emily wieder ins Bad ging und sich an den Duscharmaturen zu schaffen machte, sagte Charlotte: »Ich muß diesen Pelz von den Zähnen bekommen.« Sie stand auf und ging zu der offenen Tür. An der Schwelle drehte sie sich zu Marty um. »Daddy, müssen wir heute in die Schule?«
    »Heute nicht.«
    »Hab’ ich mir gedacht.« Sie zögerte. »Morgen?«
    »Ich weiß nicht, Liebling. Wahrscheinlich nicht.«
    Wieder ein Zögern. »Werden wir je wieder zur Schule gehen?«
    »Aber selbstverständlich.«
    Sie sah ihn viel zu lange an, dann nickte sie und ging ins Bad. Ihre Frage erschütterte Marty. Er war nicht sicher, ob sie lediglich Tagträumen von einem Leben ohne Schule nachhing, wie es die meisten Kinder ab und zu einmal tun, oder ob sie sich tiefschürfendere Sorgen über die Situation machte, in die sie hineingeraten waren.
    Er hatte gehört, wie der Fernseher im Nebenzimmer eingeschaltet worden war, während er neben Charlotte auf dem Bett saß, daher wußte er, daß Paige wach war. Er stand auf, um ihr guten Morgen zu sagen.
    Als er sich der Verbindungstür näherte, rief Paige ihm zu: »Marty, schnell, sieh dir das an!«
    Als er ins andere Zimmer stürzte, sah er sie vor dem Fernseher stehen. Sie sah sich die Frühnachrichten an.
    »Es geht um uns«, sagte sie.
    Er erkannte ihr eigenes Haus auf dem Bildschirm. Eine Reporterin stand auf der Straße, mit dem Rücken zum Haus, und sah in die Kamera.
    Marty hockte sich vor den Fernseher und drehte den Ton lauter.
    »… konnte das Geheimnis nicht aufgeklärt werden, und die Polizei möchte heute morgen sehr gern mit Martin Stillwater reden …«
    »Oh, heute morgen wollen sie reden«, sagte er angewidert.
    Paige brachte ihn zum Schweigen.
    »… ein verantwortungsloser Schwindel von einem Schriftsteller, der zu versessen darauf ist, seine Karriere zu fördern, oder etwas Gefährlicheres? Nachdem das Polizeilabor festgestellt hat, daß die gewaltige Menge Blut in Stillwaters Haus tatsächlich menschlichen Ursprungs ist, ist es für die Behörden inzwischen von höchster Dringlichkeit, diese Frage zu beantworten.«
    Das war das Ende des Berichts. Während die Reporterin ihren Namen und Standort nannte, bemerkte Marty das Wort »LIVE« in der oberen linken Ecke des Bildschirms. Die vier Buchstaben standen zwar schon die ganze Zeit dort, aber ihre Bedeutung war ihm nicht gleich aufgegangen.
    »Live?« sagte Marty. »Sie schicken keine Reporter live vor Ort, wenn die Sache nicht noch am Laufen ist.«
    »Sie ist noch am Laufen«, sagte Paige. Sie stand mit vor der Brust verschränkten Armen da und betrachtete stirnrunzelnd den Fernseher. »Der Irre ist immer noch irgendwo da draußen.«
    »Ich meine so was wie ein andauernder Überfall oder eine Geiselnahme, bei der eine Spezialeinheit bereitsteht, um das Haus zu stürmen. Nach Fernsehstandards ist das hier langweilig, keine Action, niemand vor Ort, dem man ein Mikrophon vor die Nase halten

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