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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Karl Clockers rätselhaftem Geschwafel eine subtil ausgedrückte, aber tiefempfundene Verachtung herausgehört. Er wollte dem großen Mann seinen albernen Hut vom Kopf reißen und anzünden, samt Entenfeder und allem, wollte ihm das Taschenbuch aus der Hand reißen und in Stücke reißen und rund tausend Schuß 9-mm-Hohlspitzgeschosse aus nächster Nähe in ihn hineinballern.
    Statt dessen drehte er sich wieder zum Fenster um und ließ sich von den majestätischen Berggipfeln und Wäldern besänftigen, die er mit hundertfünfzig Meilen pro Stunde vorbeirauschen sah.
    Über ihnen zogen Wolken von Nordwesten auf. Sie näherten sich den Berggipfeln, aufgebläht und grau wie eine Flotte lenkbarer Luftschiffe.
    Um 13:10 Uhr am Dienstagnachmittag wurden sie auf einem Flugplatz außerhalb von Mammoth Lakes von einem Repräsentanten des Network namens Alec Spicer empfangen. Er wartete auf dem Asphalt neben einem Hangar aus Beton und Wellblech, wo sie landen sollten.
    Er kannte ihre richtigen Namen und war Peter Waxhill damit vom Rang mindestens ebenbürtig, aber bei weitem nicht so vornehm gekleidet, zuvorkommend oder höflich wie der Gentleman, der sie beim Frühstück mit dem letzten Stand der Dinge vertraut gemacht hatte. Und im Gegensatz zu dem muskulösen Jim Lomax gestern abend auf dem John Wayne Airport in Orange County ließ er sie ihr Gepäck selbst zu einem grünen Ford Explorer tragen, der auf dem Parkplatz hinter dem Hangar für sie bereitstand.
    Spicer war etwa fünfzig Jahre alt, einsfünfundsiebzig groß, achtzig Kilo schwer und hatte kurzgeschnittenes graues Haar. Sein Gesicht bestand nur aus harten Flächen, die Augen versteckte er hinter einer Sonnenbrille, obwohl der Himmel verhangen war. Er trug Springerstiefel, Khakihosen, ein Khakihemd und eine abgewetzte lederne Fliegerjacke mit zahllosen Reißverschlußtaschen. Seine aufrechte Haltung, das disziplinierte Benehmen und die abgehackte Sprechweise wiesen ihn als pensionierten – möglicherweise entlassenen – Armeeoffizier aus, der nicht bereit war, die Verhaltensmuster, Gewohnheiten und die Kleidung eines Berufssoldaten abzulegen.
    »Sie sind für Mammoth nicht richtig angezogen«, sagte Spicer schneidend, während sie zu dem Explorer gingen; sein Atem bildete weiße Kondenswölkchen vor seinem Mund.
    »Ich habe nicht gewußt, daß es hier so kalt sein würde«, sagte Oslett, der unkontrolliert zitterte.
    »Sierra Nevada«, sagte Spicer. »Wo wir uns befinden, fast zweieinhalbtausend Meter über dem Meeresspiegel. Dezember. Hier können Sie nicht mit Palmen, Baströckchen und Piña Colada rechnen.«
    »Ich habe gewußt, daß es kalt sein wird, aber nicht so kalt.«
    »Sie werden sich den Arsch abfrieren«, sagte Spicer barsch.
    »Die Jacke ist warm«, verteidigte sich Oslett, »aus Kaschmir.«
    »Gut für Sie«, sagte Spicer.
    Er öffnete die Klappe des Explorer und trat beiseite, damit sie die Koffer im Stauraum unterbringen konnten.
    Spicer setzte sich ans Steuer. Oslett nahm vorne Platz. Auf dem Rücksitz las Clocker weiter in Die Durchfallepidemie von Ganymed .
    Während Spicer vom Flugplatz Richtung Stadt fuhr, schwieg er eine Zeitlang. Dann: »Wir rechnen heute mit dem ersten Schnee der Saison.«
    »Der Winter ist meine Lieblingsjahreszeit«, sagte Oslett.
    »Gefällt Ihnen vielleicht nicht mehr so sehr, wenn Ihnen der Schnee bis zum Arsch reicht und Ihre hübschen Oxfords so hart wie holländische Holzschuhe sind.«
    »Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?« fragte Oslett ungeduldig.
    »Ja, Sir«, sagte Spicer, der die Worte noch abgehackter als sonst aussprach, den Kopf aber fast unmerklich neigte und damit seine rangniedere Position zum Ausdruck brachte.
    »Gut«, sagte Oslett.
    An manchen Stellen standen hohe Nadelbäume dicht auf beiden Seiten der Straße. Viele Motels, Restaurants und Bars bestachen durch alpenländische Architektur und Namen, welche in manchen Fällen Worte enthielten, die an Bilder aus so unterschiedlichen Filmen wie The Sound of Music oder Clint-Eastwood-Streifen erinnerten: Bavarian dies, Swiss das, Eiger, Matterhorn, Geneva, Hofbräu.
    Oslett sagte: »Wo liegt das Haus der Stillwaters?«
    »Wir fahren in Ihr Motel.«
    »Man hat mir gesagt, daß das Stillwater-Haus von einem Überwachungsteam beobachtet wird«, beharrte Oslett.
    »Ja, Sir. Auf der anderen Straßenseite in einem Kleinbus mit getönten Scheiben.«
    »Ich möchte dorthin.«
    »Das wäre nicht gut. Dies ist eine Kleinstadt. Nicht einmal fünftausend

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