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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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seinem Haus vorfahren und ihm auf Plakaten vorwerfen, er hätte John Lennon, John F. Kennedy, Rick Nelson und Gott allein weiß wen noch getötet, obwohl er ein Kind war, als Lee Harvey Oswald abdrückte (oder als siebzehntausendundsiebenunddreißig homosexuelle Verschwörer abdrückten, wenn man Oliver Stones Film Glauben schenken wollte). Etwas Ähnliches war Stephen King zugestoßen, oder nicht? Und Salman Rushdie hatte mit Sicherheit einige Jahre hinter sich, die so spannend waren wie alles, was der Held in einer Räuberpistole von Robert Ludlum erdulden mußte.
    Erbost über das bizarre Image, das ihm die Zeitschrift untergeschoben hatte, und mit vor Verlegenheit rotem Kopf behielt Marty den Parkplatz im Auge, ob ihn jemand beobachtete, wie er etwas über sich selbst las. Einige Leute kamen von oder gingen zu ihren Autos, aber niemand schenkte ihm Beachtung.
    Wolken verdunkelten den bislang sonnigen Tag. Der Wind wirbelte abgestorbenes Laub zu einem Miniaturtornado auf, der über eine freie, asphaltierte Fläche tanzte.
    Er las den Artikel, den er mit Seufzen und Murmeln kommentierte. Obwohl er einige kleinere Fehler enthielt, war der Text weitgehend sachlich. Aber der allgemeine Tenor paßte zu den Fotos. Der gruslige alte Marty Stillwater. Was für ein finsterer und verdrießlicher Bursche. Sieht hinter jedem Lächeln das böse Grinsen eines Verbrechers. Arbeitet in einem spärlich beleuchteten Arbeitszimmer, fast dunkel, und behauptet , daß er nur Spiegelungen auf dem Computermonitor verhindern will (blinzel, blinzel).
    Seine Weigerung, Charlotte und Emily fotografieren zu lassen, die nur dazu diente, ihr Privatleben zu schützen und zu verhindern, daß sie von Klassenkameraden gehänselt wurden, wurde als Angst vor Kidnappern interpretiert, die hinter jedem Busch lauerten. Schließlich hatte er vor ein paar Jahren einen Roman über eine Entführung geschrieben.
    Paige, »hübsch und geistreich wie eine Heldin von Martin Stillwater«, wurde als Psychologin bezeichnet, »deren eigener Job erforderlich macht, daß sie in die dunkelsten Geheimnisse über Patienten eindringt«, als sei sie nicht mit der Beratung von Kindern befaßt, die mit der Scheidung der Eltern oder dem Tod eines geliebten Menschen nicht fertig wurden, sondern mit der Tiefenanalyse der brutalsten Serienmörder des Jahrhunderts.
    »Die gruselige alte Paige Stillwater«, sagte er laut. »Nun, warum hätte sie mich auch geheiratet, wenn sie nicht selbst ein bißchen verschroben wäre?«
    Er sagte sich, daß er übertrieb.
    Als er die Zeitschrift zuklappte, sagte er: »Gott sei Dank habe ich die Mädchen nicht mitmachen lassen. Sie würden wie die Kinder der ›Addams Family‹ aussehen.«
    Wieder sagte er sich, daß er übertrieb, aber seine Laune wurde nicht besser. Er fühlte sich gedemütigt, erniedrigt; und die Tatsache, daß er lautstark Selbstgespräche führte, schien ärgerlicherweise seinen frisch erworbenen nationalen Ruf als lächerlicher Exzentriker zu erhärten.
    Er drehte den Schlüssel im Zündschloß und ließ den Motor an.
    Als er über den Parkplatz zur belebten Straße fuhr, quälte Marty der Gedanke, daß sein Leben mit der Fugue am Samstag nachmittag mehr als nur eine vorübergehende Wendung zum Schlechteren genommen hatte, daß der Artikel in der Zeitschrift nur ein weiteres Hinweisschild auf dieser neuen, dunklen Straße darstellte, und daß er lange Zeit über unebene Wege holpern mußte, bis er wieder auf den glatten Highway zurückgelangte, den er verlassen hatte.
    Ein Wirbelwind aus Laub ergoß sich über das Auto und erschreckte ihn. Die trockenen Blätter raschelten über Haube und Dach wie die Klauen einer Bestie, die fest entschlossen schien, ins Innere zu gelangen.

20
    Er bekommt Hunger. Seit Freitag nacht hat er nicht mehr geschlafen, ist mit Höchstgeschwindigkeit durch das halbe Land gerast, meistens bei schlechtem Wetter, und hat nun aufregende und aufwühlende eineinhalb Stunden im Haus der Stillwaters verbracht, wo er mit seinem Schicksal konfrontiert wurde. Seine Energiereserven sind aufgebraucht. Er zittert und hat weiche Knie.
    In der Küche plündert er den Kühlschrank und stapelt die Lebensmittel auf einem Eßtisch aus Eiche. Er verschlingt mehrere Scheiben Schweizer Käse, einen halben Laib Brot, ein paar Gürkchen und fast ein Pfund Speck, die er vermischt, ohne sich groß belegte Brote zu machen, ein Bissen hiervon, ein Bissen davon, er ißt den Speck roh, weil er keine Zeit damit vergeuden will,

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