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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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grausamen Streich, indem sie Erwartungen weckte, die sie nicht einzulösen gedachte. Kreuzungen standen unter Wasser. Abwasserkanäle liefen über. Der BMW wirbelte gewaltige weiße Wasserschwingen hoch, wenn er durch eine tiefe Pfütze nach der anderen fuhr. Und aus dem dunstigen Grau schwammen die Scheinwerfer entgegenkommender Fahrzeuge empor wie die Suchstrahler von Tauchkapseln, die tiefe Meeresgräben erforschten.
    »Wir sind ein Unterseeboot«, sagte Charlotte aufgeregt vom Beifahrersitz neben Paige, während sie durch die Gischtschleier der Reifen zum Fenster hinaussah, »und schwimmen mit den Walen, mit Kapitän Nemo und der Nautilus, zwanzigtausend Meilen unter dem Meer, von Riesentintenfischen verfolgt. Erinnerst du dich noch an den Riesentintenfisch aus dem Film, Mom?«
    »Ich erinnere mich«, sagte Paige ohne den Blick von der Straße abzuwenden.
    »Periskop ausfahren«, sagte Charlotte, nahm die Griffe des imaginären Instruments und sah mit zusammengekniffenen Augen durch das Objektiv. »Wir plündern die Seewege, rammen Schiffe mit unserem superstarken Stahlbug – rumms! – und der verrückte Kapitän spielt seine riesige Orgel! Erinnerst du dich an die Orgel, Mom?«
    »Ich erinnere mich.«
    »Wir tauchen tiefer, tiefer, die Druckhülle fängt an zu knistern, aber der verrückte Kapitän Nemo sagt tiefer, spielt seine Orgel und sagt tiefer, und derweil kommt der Tintenfisch immer näher.« Sie summte die Titelmusik des Films Der weiße Hai: »Dum-dum, dum-dum, dum-dum, dum-dum, da-da-dum!«
    »Das ist albern«, sagte Emily vom Rücksitz.
    Charlotte drehte sich im Sicherheitsgurt und sah zwischen den Vordersitzen hindurch. »Was ist albern?«
    »Riesentintenfische.«
    »Ach ja? Vielleicht würdest du nicht denken, daß sie albern sind, wenn du schwimmen würdest und einer kommt unter dir hoch, beißt dich durch, verschlingt dich mit zwei Bissen und spuckt die Knochen aus wie Traubenkerne.«
    »Tintenfische essen keine Menschen«, sagte Emily.
    »Klar doch.«
    »Umgekehrt.«
    »Hm?«
    »Menschen essen Tintenfische«, sagte Emily.
    »Unmöglich.«
    »Möglich.«
    »Wie kommst du auf so eine dumme Idee?«
    »Ich hab’ welche auf der Speisekarte im Restaurant gesehen.«
    »Welches Restaurant?« fragte Charlotte.
    »Verschiedene Restaurants. Du warst auch dabei. Stimmt das nicht, Mom – essen Menschen nicht Tintenfische?«
    »Doch, die essen sie«, stimmte Paige zu.
    »Du gibst ihr nur recht, damit sie nicht wie eine dumme Siebenjährige dasteht«, sagte Charlotte skeptisch.
    »Nein, es stimmt«, versicherte Paige ihr. »Menschen essen Tintenfische.«
    »Wie?« fragte Charlotte, als würde der bloße Gedanke ihre Phantasie übersteigen.
    »Nun«, sagte Paige und bremste vor einer roten Ampel, »weißt du, nicht an einem Stück.«
    »Logisch!« sagte Charlotte. »Jedenfalls keinen Riesentintenfisch .«
    »Man kann beispielsweise die Tentakel abschneiden und in Knoblauchbutter dünsten«, sagte Paige und sah ihre Tochter an, um festzustellen, welchen Eindruck diese kulinarische Neuigkeit auf sie machen würde.
    Charlotte verzog das Gesicht und sah wieder nach vorne. »Du willst nur, daß mir schlecht wird.«
    »Schmeckt gut«, beharrte Paige.
    »Lieber würde ich Dreck essen.«
    »Schmeckt besser als Dreck, glaub mir.«
    Emily flötete vom Rücksitz: »Man kann auch ihre Tentakel durchschneiden und fritieren.«
    »Stimmt«, sagte Paige.
    Charlottes Urteil war kurz und prägnant: »Bäh!«
    »Sie sind wie kleine Zwiebelringe, nur Tintenfische«, sagte Emily.
    »Das ist krank.«
    »Kleine, fritierte Gummitintenfische, aus denen glibberige Tintenfischtinte tropft«, sagte Emily und kicherte.
    Charlotte drehte sich auf dem Sitz um, sah ihre Schwester an und sagte: »Du bist ein widerlicher Kobold.«
    »Ist doch egal«, sagte Emily, »wir sind sowieso nicht in einem U-Boot.«
    »Selbstverständlich nicht«, sagte Charlotte. »Wir sind in einem Auto.«
    »Nein, wir sind in einem Uferkraft.«
    »Einem was? «
    Emily sagte: »Wie wir es damals im Fernsehen gesehen haben, das Boot, das zwischen England und sonstwo fährt, und das schwebt auf dem Wasser und geht echt ab.«
    »Liebes, du meinst ein ›Hovercraft‹ – ein Luftkissenboot«, sagte Paige, nahm den Fuß von der Bremse, als die Ampel umschaltete, und beschleunigte vorsichtig über die über schwemmte Kreuzung.
    »Ja«, sagte Emily. »Hovercraft. Wir sitzen in einem Luftkissenboot und fahren nach England zu einer Audienz bei der Königin. Ich werde mit

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