Diese Dinge geschehen nicht einfach so
lieber als Kitsch, als Geschenk verpackt. Ein Mann ohne Beine lässt sich von einem Jungen ohne Schuhe durch den Verkehr in die Mitte der Straße zu dem Taxi schieben, wo er an das Beifahrerfenster klopft und um Münzen bettelt, indem er seine Hand hinhält, an der ein paar Finger fehlen.
»Weg, weg, weg!«, scheucht ihn der Fahrer, plötzlich aufgeregt. Er rollt sein Fenster herunter und schimpft in derbem
Twi
.
Kehinde schaut hinunter, sieht den Mann, ist peinlich berührt. Er angelt aus seinem Sweatshirt fünf einzelne Scheine. »Schreien Sie die Leute nicht an, bitte, Sir«, sagt er zum Fahrer. Dieser Fahrer mustert ihn, verschwitzt und irritiert. Kehinde rollt sein Fenster herunter und streckt die Scheine hinaus. »Hier«, sagt er. »Nehmen Sie das.« Der Fahrer saugt an seinen Zähnen. Der Junge ohne Schuhe nimmt nur einen der Dollarscheine. Der Mann ohne Beine lächelt, ein Lächeln ohne Zähne. »Nehmen Sie auch den Rest«, sagt Kehinde, aber der Junge hört ihn nicht, und das Taxi fährt weiter, weil die Ampel grün geworden ist.
»Das sind doch Diebe«, knurrt der Fahrer. »Die kommen aus Mauretanien. Sie beklauen die Touristen.«
»Wir sind keine Touristen«, sagt Kehinde.
Der Fahrer fängt an zu lachen, mit einem blitzenden Goldzahn, als wollte er sagen
Nur Touristen geben Bettlern amerikanische Dollar
. Aber er reißt sich schnell zusammen, rollt sein Fenster hoch und erkundigt sich beiläufig: »Woher kommen Sie denn?«
Kehinde schaut zu Taiwo, die nicht aufgepasst hat, dann wieder zum Fahrer, der kaum älter ist als er. Er spürt bei dem Mann eine ganz spezielle Form von Aggression, die er aus Lagos und London und New York kennt und die etwas damit zu tun hat, dass sie beide braunhäutige Männer sind, die von den Nebenwirkungen ungleich betroffen sind. Der Typ würde in seinem Taxi lieber eine nervöse weißhäutige Frau transportieren als die Zwillinge – braunhäutig, gut gekleidet, gleiches Alter –, weil er sie für Amerikaner hält und vermutet, dass sie reich sind, jedenfalls reicher als er. Aufgrund einer grausamen Laune des Schicksals. »Waren Sie vorher schon mal in Afrika?«, fügt er hinzu, mit Besitzerstolz.
»Ja, in Nigeria und Mali.«
»Aber nicht in Ghana«, beharrt der Mann.
Kehinde schüttelt den Kopf, und der Fahrer scheint zufrieden. Kehinde fühlt sich veranlasst hinzuzufügen: »Unser Vater ist von hier.« Während er es sagt, wünscht er sich bereits, er hätte es nicht gesagt, denn jetzt kommt die Aufwallung, die er bisher in Schach halten konnte. Sie kommt in Form von Kopfschmerzen, ein plötzliches Brennen zwischen den Augenbrauen, so heftig, dass er nach Luft schnappt.
»War.«
Aber das hört der Fahrer gar nicht. »Was heißt ›von hier‹?«, fragt er herausfordernd.
»Ghana«, murmelt Kehinde. Es klingt wie eine Lüge.
»Ach, tatsächlich? Wo in Ghana?« Der Fahrer grinst spöttisch.
»Das weiß ich nicht«, antwortet Kehinde und schließt jetzt die Augen.
»Sie wissen nicht, woher er kommt – Ihr eigener Vater«, sagt der Fahrer. Er saugt an den Zähnen und wirft Taiwo, die immer noch schweigt, einen kurzen Blick zu. »Warum fragen Sie ihn nicht?«
Weil es ihn jetzt doch trifft, antwortet Kehinde: »Er ist tot.« Und erschrickt über das Lachen.
Er kann sich nicht erklären, was seine Schwester so komisch findet, aber sie scheint zu lachen, unüberhörbar, mit dem Rücken zu ihm. »Taiwo«, flüstert er. Er denkt, sie weint vielleicht, aber als sie ihn anschaut, sind ihre Augen trocken.
»Er ist nicht mehr da.« Sie schüttelt den Kopf. Sie hört nicht auf zu lachen.
Der Fahrer schaut ungläubig. »Der Vater tot, und sie lacht«, knurrt er. Mehr sagt er nicht, sondern stellt das Radio an (misstönendes Gospel) und schaut geradeaus.
Drei
Taxi und Mercedes biegen in die Einfahrt, wo das Hauspersonal sie in Reih und Glied erwartet. Sadie, die während der zwanzigminütigen Fahrt geschlafen hat, schlägt die Augen auf und fragt: »Wo sind wir?« Olu und Ling, nebeneinander auf dem Rücksitz, rühren sich nicht, sagen nichts, blicken auf das Haus. Fola tut das ebenfalls, die Hände am Steuer, als würde sie sich überlegen, ob das die richtige Adresse ist oder nicht. Ein Atemzug, dann bewegt sie sich, zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss und nimmt die Sonnenbrille von der Stirn. »Wir sind zu Hause, würde ich sagen.«
Die Bediensteten treten näher, als sich die Autotüren öffnen. Alle steigen aus und betrachten das Haus (außer Kehinde,
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