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Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)

Titel: Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Amend , Daniel Meyer
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kämpferisch meine Faust. Ich konnte aus dem Fenster den schwarzen Himmel sehen. »Die Traurigkeit ist die Nacht des Herzens«, hatte Lars irgendwann beim Autofahren mal gesagt, und ich habe nie genau verstanden, was er damit meinte. Bis heute. Ich glaube, es bedeutet, dass auch im Herzen wieder die Sonne scheint, wenn die Nacht vorüber ist. Und mit der Sonne kommt dann automatisch auch die Fröhlichkeit zurück. Ich musste also nur ganz schnell einschlafen … und wieder aufwachen.
    »Gute Nacht, Josi. Hab dich lieb.«
    Als ich aufwachte, war schon wieder Ärger im Anmarsch. Mamas Augen waren ganz weit aufgerissen und ihr Kopf tomatenrot, was kein gutes Zeichen war. Ich grübelte, was ich falsch gemacht haben könnte, aber seit gestern Abend lag ich nur in diesem Krankenhausbett und als ich das letzte Mal mit Mama telefoniert hatte, war noch alles in Ordnung. Ich wollte sie fragen, warum sie so heftig trampelte, wie ein wilder Stier, aber sie gab mir bloß einen Kuss auf die Stirn und sagte, dass sie erst mal eine rauchen gehen müsse. Wenn die Erwachsenen gestresst sind, müssen sie immer Zigaretten rauchen. Meine Eltern rauchen ganz schön viel. Ich überlegte, warum Mama eben so unglücklich aussah, und mir fielen drei Gründe ein:
ICH DARF NICHT NACH BERLIN!!!
Ein Witz über Tomaten (wegen Mamas Tomatenkopf)
Ein Witz über Zigaretten (weil Mama gerade raucht)
    Die beiden Witze hatten nichts mit Mamas schlechter Laune zu tun, aber sie spukten eben in meinem Kopf herum. Ich konnte nichts dafür. Sie waren plötzlich da. Der Tomatenwitz ging so: Laufen zwei Tomaten über die Straße. Kommt ein Lkw. Sagt die eine: »Komm Ketchup, wir gehen rüber zur Pommesbude.« Voll witzig!
    Ich schaute aus dem Fenster, und der Himmel war jetzt blau. Die Sonne konnte ich nicht sehen, aber ich wusste, dass sie da war. Der Zigarettenwitz ging so: Sitzt ein kleines Mädchen in der Badewanne: »Mama, wo ist der Waschlappen?« Da sagt Mama: »Der ist nur schnell Zigaretten holen!« Ich verstand ihn erst nicht, aber als Mama mir erklärte, dass mit dem Waschlappen Papa gemeint war, fand ich das so lustig, dass ich den ganzen Abend darüber lachen musste. Nach einer Weile kam Mama ins Zimmer zurück. Sie war noch immer wütend. Ich versuchte mich daran zu erinnern, an was ich gerade gedacht hatte, aber vor meinem Auge drehte sich alles. Ich griff nach Josis Rüssel, um mich zu entspannen, da fiel es mir wieder ein: ICH DARF NICHT NACH BERLIN.
    »Mama, darf ich nach Berlin?«, fragte ich.
    »Nicht jetzt, Daniel«, fluchte sie.
    »Okay«, sagte ich.
    »Ich ruf Papa an. Diese bescheuerten Ärzte!«
    »Okay.«
    Manchmal stelle ich mir vor, dass schlimme Sachen, die in der Vergangenheit passiert sind, gar nicht echt waren, sondern nur ein Traum. Kennst du das, wenn du morgens total durcheinander im Bett liegst, weil du wirres Zeug geträumt hast, die Bilder dir aber so real erschienen, dass du kurz überlegen musst: Moment mal, war das jetzt echt oder nur ein Traum? Ich liebe Träume, also die schönen, nicht die Albträume. Dann stelle ich mir vor, ein anderer Junge zu sein und fliegen zu können, so wie Superman. Zum Glück kann das Monster, das immer wieder versucht, mir mein Herz herauszureißen, nicht meine Träume nehmen. Am Ende sind die schönen Träume nämlich alles, was einem bleibt, um nicht die Hoffnung zu verlieren.
    Als die Testergebnisse kamen, sprach Mama lange mit dem Oberarzt, und es stellte sich heraus, dass ich doch keine Lungenentzündung, sondern eine lebensgefährliche Überdosierung meines Herzmittels bekommen hatte. Ich verstand das nicht. Mein Hausarzt hatte doch gesagt, dass ich an einer akuten Lungenentzündung erkrankt sei, weswegen ich ja dieses Antibiotikum nehmen musste. Wie konnte eine Lungenentzündung einfach so über Nacht verschwinden? Der Oberarzt sagte nicht die Wahrheit. Ich achte immer ganz genau darauf, was ich einnehme. Ich hasse sie und würde auf gar keinen Fall eine Tablette zu viel schlucken. Das versuchte ich auch dem Arzt zu erklären, aber der hörte mir gar nicht richtig zu und nickte nur mit seinem Kopf, als ob ich dumm und bescheuert wäre. Und wie er mit Mama redete, ganz gemein und hochnäsig. Solche Menschen mag ich nicht. Er beschuldigte sie, meine Medikamente durcheinander gebracht zu haben und dass ich mein Herzmittel, das ich schon seit meiner Geburt nehme, ab sofort nicht mehr nehmen dürfe. Als Mama sagte, dass sie das nicht machen würde, stritten sie noch mehr. Ich schaltete

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