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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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nur die Spur eines Beweises dafür gefunden hatte, dass die arische Urrasse, die Quelle jeder Hochzivilisation auf der Erde, jemals wirklich existiert hatte.
    Wenn er sich das zusammen mit Freunden angesehen
hätte, mit seinen Kumpels aus dem Stalag, hätte Gary vielleicht gelacht. So jedoch überlief es ihn kalt. Die meisten Deutschen, die er kannte, waren geistig mehr oder minder ebenso gesund wie er. Aber irgendjemand hoch oben in der Nazi-Hierarchie musste so sehr an diesen Quatsch glauben, dass er ihn erforschen und dramatisieren ließ. Sie sind verrückt, dachte Gary, Und sie haben die Macht. Ich bin in einer Welt der Geisteskranken gefangen, als wäre der ganze Planet ein riesiges, von Irren geleitetes Stalag …
    Es klopfte an der Tür.
    Reflexhaft wollte er das Bier unter seinem Stuhl verstecken, als wäre er im Lager und ein Gorilla käme zu einer nächtlichen Inspektion. Er fing sich wieder, hob das Bier ganz bewusst auf und stellte es auf den Kaffeetisch. Er stand auf, schaltete den Fernseher aus und zog seinen Morgenmantel eng um sich, während er zur Tür ging.
    Draußen stand eine junge Frau. Sie trug schlichte Kleidung, einen knielangen schwarzen Rock und eine unauffällige Bluse mit einer Art Halstuch. Die dunklen Haare waren zu einem Knoten zurückgebunden. Ihre Aufmachung hatte etwas von einer Uniform; sie wirkte wie die Leiterin einer weiblichen Pfadfindergruppe. Ihr Gesicht war eher hübsch als schön, dachte er. Sie sah markant aus.
    Sie grinste ihn an. »Was ist los mit Ihnen? Noch nie eine Frau gesehen?« Sie sprach Englisch, mit einem Akzent, der ihm unbekannt war.
    »So gut wie keine, seit einem Jahr. Tut mir leid.« Er
trat außerordentlich verlegen zurück. »Ich glaube, ich habe meine Manieren im Stalag gelassen. Kommen Sie herein.«
    Sie fegte an ihm vorbei. »Sie haben keinen Besuch erwartet.«
    »Nein, zum Teufel. Ich meine – Verzeihung. Sie wissen vermutlich, wer ich bin, oder?«
    »Ja, Corporal Wooler.«
    »Nennen Sie mich Gary.«
    »Danke«, sagte sie belustigt. »Ich bin Sophie Silver. Aber Sie können mich Doris Keeler nennen.«
    Das brachte ihn völlig durcheinander. »Wie bitte?«
    Sie schaute sich in dem Zimmer um, betrachtete das Bier, die leeren Teller, den Fernsehapparat.
    »Sie haben es sich gemütlich gemacht. Freut mich. Was dagegen, wenn ich mich setze?«
    »Ich …«
    »Haben Sie noch mehr von diesem Bier?« Sie nahm selbstbewusst in einem der Sessel Platz. »Könnte ein bisschen Farbe vertragen, dieses Zimmer, finden Sie nicht auch?«
    »Äh …«
    »Das Bier.«
    »Oh. Sicher.« Er ging in die Küche.
    »Ich will Ihnen Ihre kleinen Leckerbissen nicht wegtrinken«, rief sie ihm nach. »Aber schließlich soll ja auch ich ein Leckerbissen für Sie sein, nicht wahr?«
    Erneut war er wie vom Donner gerührt. Er brachte ihr ein Glas Bier und setzte sich aufs Sofa. »Hören Sie, Miss Silver – oder Keeler …«

    »Doris genügt.« Sie nippte an ihrem Bier. »Mmh. Besser als der beschissene Wein, den wir zu Hause kriegen.«
    »Wo sind Sie denn zu Hause?«
    »In Colchester.«
    »Colchester. Hören Sie, Doris, ich hatte einen reichlich durchwachsenen Tag. Sie sprechen in Rätseln. Wer sind Sie? Hat Julia Fiveash Sie geschickt?«
    »Sie hat Sophie Silver geschickt. Sie wusste nicht, dass Doris Keeler gleich mitkommen würde.«
    »Dann fangen Sie mit Sophie Silver an. Wer ist sie?«
    »Sie soll Ihre, nun ja, Gespielin sein, das ist wahrscheinlich das passende Wort. Hat Fiveash Ihnen erzählt, dass dieses Vorzeigedorf zum Lebensborn gehört?«
    »Ich weiß nicht, was das bedeutet.«
    »Es ist ein Liebeslager. Ein Lebensborn eben. Noch so eine von Himmlers Ideen. Er möchte das arische Blut reinigen. Der Führer ist einverstanden; er hat Himmler zum Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums ernannt. Darum entwickelt Himmler ein Zuchtprogramm, in dem sich arische Männer, insbesondere SS-Offiziere, mit passend ausgewählten Frauen der richtigen Sorte paaren können. Und wenn Sie und ich uns erfolgreich fortpflanzen, gibt es sogar eine neue Art von Religion, in der wir unseren kleinen nordischen Wicht taufen lassen können.«
    »Noch so eine dämliche Scheiß-Idee der Nazis.«
    »Richtig. Aber Sie müssen zugeben, es macht mehr
Spaß, als in Polen einzufallen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Die müssen Sie mögen.«
    »Würde ich auch sagen. Aber ich nehme an, eine gesunde arische Kopulation kommt nicht in Frage …«
    »Wenn Sie mir zu nahe kommen, können Sie

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