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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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sie; »es sind nun zehn Jahre, daß mich mein Vater eng eingeschlossen hält, denn seit so lange ist meine Mutter in ihr Grab gelegt; im Hause wird in einem schönen Oratorium die Messe gelesen, und in dieser ganzen Zeit habe ich nichts gesehen als am Tage die Sonne des Himmels und in der Nacht den Mond und die Sterne; ich weiß aber nicht, was Gassen, Plätze, Kirchen oder selbst Menschen sind, meinen Vater und meinen Bruder ausgenommen und den Pachter Pedro Perez, der oft in unser Haus kommt, weshalb es mir einfiel, ihn zu meinem Vater zu machen, um den meinigen nicht zu nennen. Daß ich so eingeschlossen bin und nicht aus dem Hause darf, nicht einmal in die Kirche, hat mich schon seit vielen Tagen und Monaten ganz trostlos gemacht ; ich wollte gern die Welt sehen oder wenigstens den Ort, wo ich geboren bin; denn das schien mir nicht gegen den Anstand zu streiten, den vornehme Mädchen sich selbst immer schuldig sind. Wenn ich erzählen hörte, daß man Stiergefechte und Turniere halte und Komödien aufführe, so ersuchte ich meinen Bruder, der ein Jahr jünger ist als ich, er möchte mir doch erklären, was das und noch vieles andere für Dinge wären, die ich niemals gesehen hatte; er sagte mir auch alles, so gut er es nur konnte; aber alles das entzündete nur noch mehr meinen Wunsch, es selbst zu sehen. Kurz, um die Erzählung meines Unglücks nicht zu verlängern, ich ersuchte und bat meinen Bruder – – – O daß ich ihn niemals darum ersucht, niemals darum gebeten hätte!« Und so fing sie von neuem ihre Wehklage an.
    Der Haushofmeister sagte: »Fahrt fort, Señora, und erzählt uns endlich, was Euch begegnet ist, denn Eure Worte und Eure Tränen halten uns alle in der gespanntesten Erwartung.«
    »Nur wenige Worte sind mir noch übrig«, versetzte die Jungfrau, »aber Tränen zu weinen desto mehr, denn die schlecht überlegten Wünsche können keine anderen Unfälle als dergleichen nach sich ziehen.«
    Auf das Herz des Speisemeisters hatte die Schönheit des Mädchens einen tiefen Eindruck gemacht, er leuchtete mit seiner Laterne noch einmal, um sie von neuem zu betrachten, und ihm war es, als wenn sie nicht Tränen weinte, sondern Perlen oder den Tau der Wiesen, ja sie erschienen ihm noch edler, denn er verglich sie mit den orientalischen Edelgesteinen und wünschte innig, ihr Unfall möchte nicht so groß sein, als man aus ihren Klagen und Seufzern allerdings schließen konnte. Der Statthalter war in Verzweiflung, daß das Mädchen mit so vielen Umständlichkeiten den Schluß ihrer Geschichte verzögerte; er sagte, sie möchte nun nicht länger ihrer aller Erwartung gespannt erhalten, denn es sei spät und er müsse noch viele Gegenden der Stadt besuchen. Von Schluchzen und tiefen Seuf zern häufig unterbrochen, fuhr sie fort: »Etwas anderes ist nun nicht mein Unglück oder mein Mißgeschick, als daß ich meinen Bruder bat, er möchte mich eins von seinen Mannskleidern anziehen lassen und in einer Nacht mit mir aus dem Hause gehen, um die ganze Stadt zu sehen, indes unser Vater schliefe; er, von meinen Bitten bestürmt, willigte in mein Begehren, ich zog mir hierauf dieses Kleid an, und er nahm sich ein anderes von den meinigen, das ihm ganz natürlich steht, denn er hat noch keinen Bart und sieht aus wie das schönste Mädchen; in dieser Nacht also, es ist vielleicht erst eine Stunde her, etwas mehr oder etwas weniger, gingen wir aus dem Hause, und von unserem unklugen Verlangen geführt, sind wir den ganzen Ort durchstrichen, und als wir nun nach Hause zurückgehen wollten, sahen wir einen großen Trupp Menschen, worauf mein Bruder zu mir sagte: ›Schwester, das wird die Ronde sein, mach deine Beine leicht und flüchtig und laufe mir nach, daß sie uns nicht kennen, es würde uns sonst übel gehen‹; und mit diesen Worten wandte er sich um und fing an, nicht zu laufen, sondern wirklich zu fliegen; ich fiel nach weniger als sechs Schritten nieder vor Schreck, und der Diener der Gerechtigkeit nahm mich gefangen, der mich vor Euer Gnaden führte, wo ich mich als eine schlechte und leichtsinnige Person beschämt vor so vielen Menschen sehen muß.«
    »Und sonst, Señora«, fragte Sancho, »ist Euch kein Unfall begegnet, noch hat Euch Eifersucht aus Eurem Hause getrieben, wie Ihr im Anfange Eurer Erzählung sagtet?«
    »Mir ist nichts weiter begegnet, auch hat mich keine Eifersucht herausgetrieben, sondern bloß der Wunsch, die Welt zu sehen, der sich nicht weiter erstreckte, als die Gassen dieser

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