Doppelt gebloggt hält besser (German Edition)
Denn eigentlich sind Gretes Haare blond (früher mal, jetzt eher grau) und dementsprechend auch die Brauen.
Na, beim letzten Mal hat sich die Grete dann überzeugen lassen. Und heute war es dann soweit.
Nach der Haarschneideprozedur und zwei Tassen Kaffee packte die Sonja die Augenbrauenfarbe aus. Rührte sie an und hastenichtgesehen, waren Gretes Augenbrauen damit zugekleistert. "Jetzt drei Minuten einwirken lassen."
Während die Farbe einwirkte erzählte die Sonja der Grete von ihrem Hund. Der musste nämlich operiert werden. Grete fragte nach Einzelheiten. Und Sonja ließ sich nicht lange bitten. Ach, was das arme Tier alles durchmachen musste. So richtig an die Nieren ging der Grete das. Sonja zeigte der Grete dann auch gleich noch ein paar Fotos, die sie mit ihrem Handy gemacht hat. Camillo, so heißt der Hund, vor der Operation, während der Operation und nach der Operation. Grete goss noch Kaffee nach. Camillo auf dem Balkon, Camillo im Hundekörbchen, Camillo am Flussufer. Einen wirklich schönen Hund hat die Sonja. Grete war begeistert. Weniger begeistert war sie dann aber, als die Sonja plötzlich wie von der Tarantel gestochen aufsprang und ihr mit einem Waschlappen durch das Gesicht fuhr. "Die Farbe, wir haben die Farbe vergessen. Die darf nur drei Minuten!"
Sonja schrubbte und schrubbte an Gretes Augenbrauen bis Grete ihr den Lappen aus der Hand riss. Und noch weniger Begeisterung herrschte vor, als die Grete in den Spiegel blickte. Kohlschwarze dicke Balken oberhalb ihrer Augen lugten die Grete frech an. Als wollten sie sagen: Das haste jetzt von deiner Schwatzhaftigkeit.
Das ganze sah so komisch aus, dass die Grete augenblicklich lachen musste. Erleichtert stimmte die Sonja mit in das Lachen ein. Rettete was noch zu retten war (ein dünner feiner Bogen wurde gezupft und mit Nagellackentferner wurde die Farbe auf der Haut entfernt) und versprach der Grete hoch und heilig, nie wieder die Farblosigkeit der Brauen zu erwähnen.
Gruß vonner Grete
"Eigentlich kein Thema" sagt sich die Liese dann
Lieschen färbt nicht. Jedenfalls nicht die Haare. Die sind ihr wurscht. Weißes Haar hat sie zu einem Zeichen der Weisheit erklärt und trägt es mit Selbstverständlichkeit durch ihr Leben. Mittlerweile. Obwohl ihr die Grete immer mal wieder Fotos vor die Nase hält, auf denen sie rote, lilane, gesträhnte und sonst irgendwie bunte Haare hat, ihren verträumten Blick bekommt und sagt "guck, Liese, das war doch SO schön!" Sie will dann wissen, warum sie es nicht wenigstens noch einmal mit Farbe probiert und bietet ihr sogar an, die Färberei auf Lieschens Kopf zu übernehmen. Denn das kann sie, die Grete. Das Färben. Besser als ihre Sonja, die nur für das Schneiden zuständig ist.
Das Lieschen zieht sich dann jedes Mal ein bisschen mehr in sich zurück und sucht nach Worten, die "nein" ausdrücken, aber nicht so einsam da stehen und weniger hart klingen. An anderen ist der Liese die Haarfarbe wurscht. Sie mag die gesamte Farbpalette auf den Köpfen ihrer Mitmenschen. Nur sie selbst möchte nicht mehr abhängig vom Terminkalender sein. Auch nicht wegen eines irgendwie gearteten Ansatzes, der dann in kürzester Zeit angeblich "nicht mehr geht".
Bis jetzt hat das Fräulein Grete immer wieder locker gelassen und neulich hat sie sogar gesagt "Sieht eigentlich ganz schön aus, dieses weißgrau deiner Haare. Ein bisschen so, als hättest du es extra gefärbt." Das hat die Liese gefreut. Denn Komplimente, und als solches hat sie Gretes Aussage gewertet, bekommt sie gerne. Nur verbiegen möchte sie sich dafür nicht. Da ist sie eigen. Und als Grete noch hinzugefügt hat, dass ihr die Kombination von diesem neutralen Haar mit der farbenfrohen Kleidung unseres Lieschens im Grunde mittlerweile gar nicht so schlecht gefällt, haben Lieses Augen geleuchtet und sie war direkt ein bisschen glücklich über diese freundliche Einschätzung. Vor allem, weil sie dafür nichts verändern musste. Sie mag es, sich so zu zeigen wie sie jeweils glaubt zu sein.
Wenn Lieschen dann doch mal vor dem Spiegel steht, ihr Gesicht im Vergrößerungsspiegel nach Fältchen absucht und in Detektivmanier zusätzlich das Ding ganz nah an ihren 55jährigen Hals hält, der in ihren Augen geschwind zu einer wahren Kraterlandschaft wird und sie dann ihre Oberarme untersucht, feststellt, dass "alles" gruselig schwabbelt und sie niemals wieder in der Öffentlichkeit Pfeffer mit Schmackes aus einem Streuer auf ihr Essen schütteln kann,
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