Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Dummheiten. Du hast noch viel zu lernen, Nandalee.«
»Würdest du deiner Meisterin von dem Ebermann erzählen, Bidayn, dem wir bei unserer ersten Reise hierher begegnet sind? Vielleicht ändert das ihre Sicht. Wir sind zu nahe an der Goldenen Stadt. Sie könnten unsere Zauber spüren. Das Risiko ist zu groß.« Mit diesen Worten war sie zum Ende des Stegs gegangen und starrte seither mit verschränkten Armen auf den weiten Fluss hinaus.
»Wir sind damals tatsächlich einem Devanthar inmitten wegloser Wälder begegnet«, hatte Bidayn zerknirscht erklärt. »Wahrscheinlich war es mein Zauber, der ihn auf uns aufmerksam werden ließ.« Sie hatte mit Schrecken an den Tag gedacht, an dem sie verstümmelt worden war. Der Tag, an dem sich das unauslöschliche Narbennetz in ihre Haut gebrannt hatte.
»Sie ist keine gute Anführerin«, hatte Lyvianne beharrt, doch Bidayn hatte spüren können, wie ihre Meisterin den Zauber aufgab, der sie vor den Mücken und der schwülen Hitze geschützt hatte.
Bidayn umschlag ihre Knie mit den Armen. Auch sie hatte ihren Zauber aufgehoben. Die Hitze umfing sie wie eine warme, feuchte Hand und machte schläfrig. Sie fand diese Welt abscheulich und wünschte, sie wäre wieder in ihrer Heimat. Nangog war nicht für Albenkinder geschaffen. Missmutig blickte sie über das schmutzig braune, träge fließende Wasser. Es erschien ihr weit wie ein Ozean. Gerade eben noch war der Wald am jenseitigen Ufer als eine verschwommene, grüne Linie zu erkennen. Gesplitterte Baumstämme und große Äste trieben mit der Strömung.
Ein Stück flussaufwärts konnte Bidayn kleine Fischerboote beobachten. Sie schienen allein aus Schilfbündeln zu bestehen, auf denen rittlings die Fischer saßen und ihre mit Blei beschwerten Netze in die Fluten warfen. Weit im Nordosten zeichnete sich ein blassblauer Schatten vor dem Horizont ab. Auf die Entfernung sah es aus wie eine Mauer. Für Berge schien es zu regelmäßig geformt zu sein. Es gab keine aufragenden Gipfel. Manchmal glit zerte dort etwas im Sonnenschein. Einige der grässlichen Wolkensammler trieben vor dem Wind dieser viele Meilen breiten Barriere entgegen. Bidayn vermutete, dass dieser Ort ihr Ziel sein musste. Die Goldene Stadt.
Es hieß, die Menschenkinder dort seien so reich, dass ihre Häuser goldene Dächer hätten. Unsinn! Sie wusste nur zu gut, wie die Siedlungen der Menschen aussahen. Sie erinnerte sich noch gut an die Stadt, die sie auf ihrer ersten Reise nach Nangog gesehen hatte: den Dreck, die zerstörten Wälder und den in Terrassen zerteilten Hang, auf dem die Menschenkinder ihre Häuser errichtet hatten. Ihnen fehlte jeglicher Sinn für das Schöne. Wahrscheinlich war diese Stadt in allem schlimmer. Größer, schmutziger, hässlicher und einfach nur noch überfüllter mit ungewaschenen Barbaren.
Die Zeit dehnte sich endlos in der schwülen Hitze, bis Bidayn ein Schiff entdeckte, das mit der Strömung den Fluss hinabglitt. Lange Ruder ließen es auf die Entfernung wie einen großen Wasserkäfer aussehen, der behäbig über die dunklen Fluten stakste. In den Augen der Elfe war es ohne jede Eleganz gefertigt. Sein plumper Rumpf bot den Fluten zu viel Widerstand. Nur eine kleine, weiße Welle spülte um den Bug. Wehmütig dachte sie an die prächtigen Segler, die sie als Kind über die Fluten der thalischen See hatte dahinstürmen sehen. Zischend zerschnitten die schlanken Kiele die Dünung und ließen die Gischt hoch über die Bordwände aufspritzen, wenn diese Schiffe unter vollen Segeln über das Wasser flogen. Die Elfe vermisste den Luxus, der sie in ihrer Kindheit begleitet hatte, wenn sie die heißen Sommer im Klippenpalast ihres Onkels verbracht hatten.
Nandalees Stimme riss sie aus ihren melancholischen Gedanken. »Sie kommen uns holen«, sagte sie und wies auf das Schiff, das nun Kurs auf die Anlegestelle nahm.
Bidayns Blick ging zu ihren Gefährten. Nodon trat als Erster neben Nandalee an den Rand der Anlegestelle. Er hatte während der Zeit des Wartens den Schlamm von seinen aufgeweichten Stiefeln gekratzt und seine Kleider in Ordnung gebracht. Er sah von ihnen allen am ordentlichsten aus. Lyvianne hingegen war verschmutzt, strahlte aber etwas aus, als könne aller Unrat dieser Welt ihr nichts anhaben. Man blickte in ihr Gesicht, in ihre grünen Augen, die so viel gesehen hatten, und vergaß alles andere. Ganz anders ihre Anführerin, Nandalee. Sie war jemand, zu dem Schmutz einfach passte. Bidayn musste schmunzeln. Ihre
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