Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
aus, als wäre er geradewegs den Glutöfen der Unterwelt entstiegen. Die versengten Fetzen seines Waffenrockes flatterten über dem rußschwarzen Kettenhemd träge wie Wimpel im Wind des anbrechenden Tages.
Ferinic ging langsam auf ihn zu. Der Prinz bewegte sich mit der gefährlichen Geschmeidigkeit einer Raubkatze.
»Was willst du eigentlich hier ausfechten, Nadif?« Ferinic zog sein Schwert mit der rechten Hand und legte die blanke Klinge flach auf seinen linken Unterarm. Eine eindrucksvolle Geste, aber hier gab es keine Zuschauer. Noch nicht.
»Geruns Ehre. Meine Ehre. Das Andenken der Prinzessin. Ihr könnt Euch einen Grund aussuchen, Hoheit!«, antwortete Nadif steif.
»Nun gut, dann lass’ uns aufhören, hier sinnlos herumzuschwätzen!« Noch während er sprach, ließ Ferinic die Klinge von seinem Arm gleiten und stieß sie in fließender Bewegung nach Nadif vor. Das war für den erfahrenen Soldaten vorhersehbar, es bereitete ihm keine Mühe, den leichten Hieb abzufangen. Nadif ließ das Schwert des Königssohns an seiner Waffe nach oben abgleiten und griff seinerseits an.
Das Klirren der Schwerter lockte die Bewohner des Schlosses auf den Hof. Zuerst die Wachsoldaten, dann die Mägde, die in dieser frühen Morgenstunde schon in der Küche zu Gange waren. Unbeeindruckt von dem Menschenauflauf, den sie verursachten, droschen die beiden Männer aufeinander ein. Staub wirbelte auf, Funken zuckten, wenn Stahl auf Stahl traf, Nadif und Ferinic keuchten laut vor Anstrengung.
Die Zuschauer des Schauspiels schwiegen entsetzt, denn die Ernsthaftigkeit, mit der die Kämpfer versuchten, sich gegenseitig umzubringen, war nicht zu übersehen. Der Prinz blutete aus einem Schnitt am Oberarm, Nadif stolperte bei jedem Schlag.
In den oberen Etagen öffneten sich die ersten Fenster, in denen die ungläubigen Gesichter von Hofdamen und hohen Beamten erschienen.
Und endlich, endlich, gerade war Nadif beinahe in Ferinics Schwert gefallen, weil ihn sein geschundener Körper mehr und mehr im Stich ließ, und als Ferinic durch einen Hieb des Kommandanten eine Strähne seiner Haarmähne und ein Ohrläppchen eingebüßt hatte, erscholl ein lauter, sehr zorniger Ruf über den Hof.
»Aufhören, sofort aufhören! Ich lasse euch beide bis aufs Blut auspeitschen, wenn ihr nicht augenblicklich die Waffen niederlegt!«
Fernek wirkte nicht sonderlich majestätisch, wie er in seidenem Schlafrock und Pantoffeln über den Hof eilte. Immerhin hatte er sich den goldenen Kronreif auf das schüttere graue Haar gestülpt, um wenigstens ein wenig königliche Autorität auszustrahlen. Der Herrscher des Westlichen Königreiches war dermaßen aufgebracht, dass er aller Gefahr ungeachtet mit ausgestreckten Armen einfach zwischen die beiden Kämpfer lief. Nadif konnte seinen Schwertstreich gerade noch abfangen, ließ schockiert die Waffe los und fiel auf die Knie. Ferinic reagierte etwas später, stieß sein Schwert in den Boden des Hofes und beugte mit sehr langsamen Bewegungen und sichtlich widerwillig sein Knie vor seinem Vater.
»Ja, seid ihr Narren denn von allen guten Geistern verlassen?«, erkundigte sich der König bei den beiden Kämpfern. Er erwartete offensichtlich keine schlüssige Antwort, denn er wandte sich gleich an Nadif: »Und warum bist du nicht tot?«
Der Angesprochene sah irritiert auf.
»Das weiß ich nicht, mein König! Ich wünschte, ich wäre es! Ich wünschte, der Drache hätte mich genommen statt Eurer Tochter!«
Fernek kniff seine Lippen zu dünnen Strichen zusammen. Die Erwähnung Janicas schien ihn aus der Fassung zu bringen.
»Warum schlagt ihr euch?«, fragte er leise.
»Euer Sohn hat Geruns Ehre beschmutzt!« Nadif hatte nichts zu verlieren. Er sah seinen Herrscher fest in die Augen.
Ferinic lachte hämisch auf.
»Geruns Ehre? Du machst dich lächerlich, Nadif!«
Der König brauchte eine Weile, um zu begreifen, welchen Kampf diese beiden Männer, die hier vor ihm im Staub knieten, austrugen.
»Ihr schlagt euch um eine kleine Zofe? Wisst ihr überhaupt, wie lächerlich ihr euch beide macht?«
Nadif schlug sich beide Hände vor die Brust: »Mein König! Bitte entlasst mich aus Eurem Dienst! Ich habe versagt, ich konnte Eure Tochter nicht schützen!«
Ferinic schnitt ihm das Wort ab: »Du bist der Kommandant der Wache! Dein Dienst endet erst mit deinem Tod!«
»Mein Sohn!«, erhob der König warnend seine Stimme. Der Prinz presste trotzig seine Lippen zusammen und wischte sich Blut vom Ohr.
»Was hast
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