Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
mich gut bewegen konnte. Nach den Tagen der Trauer und des unerbittlichen höfischen Protokolls dürstete es den neuen Kaiser so sehr nach Taten, dass er nicht einmal dem Drängen der nervösen Protokollbeamten nachgegeben hatte, die Gewänder zu wechseln. Und ein Schwert seines Waffenmeisters hatte er mir auch nicht angeboten. Ich war bereits jetzt weniger als Lord Eon.
    Ryko langte nach meinen Händen und legte sie sich um die Taille. Ich roch seinen Schweiß und spürte, wie er die starken Muskeln anspannte, um uns aufrecht zu halten.
    »Haltet Euch fest, oder Ihr fallt vom Pferd.«
    Mit einem Ruck stieß ich gegen Rykos Rücken, als das Tier sich in Bewegung setzte. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich an ihn zu pressen. Also schob ich mich vorwärts, obwohl ich wusste, dass diese Nähe uns beiden unerwünscht war.
    Als wir der von acht Reitern gebildeten kaiserlichen Eskor te folgten, konnte ich Rykos Feindseligkeit und seine stillen Vorwürfe nicht länger ertragen.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Es tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe. Es tut mir leid, dass ich nicht so bin, wie du mich gewollt hast.«
    Er blickte sich mit zornsprühenden Augen um. »Das kann nicht mit einem Lachen und einem Achselzucken vergeben werden«, sagte er. »Wir stehen an der Schwelle zu einem aufgeklärten Zeitalter, können aber auch in die alten, dunklen Zeiten zurückfallen. Ihr habt uns ein gutes Stück in die Dunkelheit zurückgedrängt.«
    Ich spürte mich nun ebenfalls wütend werden. »Denkst du, ich hätte das gewollt? Glaubst du, ich hätte mich eines Tages zu einem gefährlichen Maskenspiel entschlossen …« – ich sah mich um und senkte die Stimme – »… um dieses Land ins Verderben zu stürzen?«
    »Euer Ziel ist mir gleich. Das Ergebnis macht mir Sorgen.« Er wandte sich ab.
    »Das Ergebnis steht noch nicht fest«, erwiderte ich. »Was glaubst du denn, was ich gerade tue? Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, um dem Kaiser die Wahrheit zu sagen, und jetzt riskiere ich es erneut, um das Buch zurückzubekommen und den Spiegeldrachen zu rufen. Ich bin noch immer hier und tue, was ich nur kann.
    Du weißt, dass ich Macht besitze – Macht, mit der ich dir das Leben gerettet habe, Macht, mit der ich vielleicht Ido und Sethon aufhalten kann. Das kannst du kaum leugnen. Gib mir wenigstens die Chance, meinen Wert zu beweisen.«
    Er schwieg. Dann atmete er tief ein und seufzte schwer.
    »Ja«, räumte er ein. »Ihr habt Macht. Und Ihr seid hier. Doch was Euren Wert angeht …« Er zuckte die Achseln.
    »Du denkst, weil ich ein Mädchen bin, werde ich versagen?«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
    »Ein weibliches Drachenauge«, erwiderte er beinahe ton los, und ich musste mein Ohr an seinen Mund beugen, um ihn zu verstehen. »Und ein weiblicher Drache, der über fünfhundert Jahre lang verschwunden war und plötzlich zurückgekehrt ist. Und Lady Dela und der Kaiser sind bereit, auf den Funken Hoffnung zu setzen, den Ihr ihnen bietet.« Er wandte sich wieder zu mir um. In seinen Augen stand nun keine Wut mehr, sondern Argwohn. »Ich bin kein Gelehrter, aber was diese Hoffnung angeht, bin ich mir nicht so sicher. Ich frage mich nun mal, ob eine so seltsame Verbindung uns Gutes oder Böses bringen wird.«
    »Hältst du mich denn für böse? Für eine Art Dämon?« Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme verletzt klang.
    »Ich weiß nicht, ob Ihr böse seid. Aber Ihr seid nicht ehrlich, und ich glaube, dass Ihr uns sogar jetzt noch nicht die ganze Wahrheit sagt.« Er blickte wieder nach vorn. »Seid Euch darüber klar, dass ich Euch beobachten werde, Lord Eon – oder wer immer Ihr seid. Und dass ich nicht zögern werde, die Interessen des Kaisers zu schützen.«
    Ich wich zurück und setzte mich aufrecht hin. Rykos Worte hatten mir den Atem geraubt.
    Wir querten den großen Audienzhof und näherten uns dem gewaltigen Tor der Höchsten Güte. Die seitlichen Tore der Demut waren für die Stadtbevölkerung bereits geschlossen und die Nachtlaternen angezündet. Deshalb kreuzten nur eini ge niedere Beamte den großen gepflasterten Platz, um in die Galerien zu beiden Seiten zu kommen. Sie fielen auf die Knie und verbeugten sich bis zum Boden, als ihr neuer Kaiser vorbeiritt. Es würde nicht lange dauern, bis sich die Nachricht herumgesprochen hatte, der Perlenkaiser habe sich seinen Sohnespflichten entzogen und sei mit seiner Palastwache und Lord Eon ausgeritten.
    Der Weg der Himmlischen Führung – das

Weitere Kostenlose Bücher