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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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Furcht, zu zerbrechen und die Züchtigungen nicht mehr als Beweis der väterlichen Sorge und Liebe betrachten zu können. Die letzte Bestrafung, bei der er nur einen winzigen Schritt davon entfernt gewesen war, sich aufzulehnen, sich zur Wehr zu setzen.
    Er hatte etwas unternehmen müssen. Das Geschirr, in dem Lord Harrynkar ihn und alle anderen führte, war zu straff gespannt, zu eng gezurrt gewesen.
    Damian warf das Schreiben beiseite, das er in der Hand hielt, ohne seinen Inhalt aufnehmen zu können. Er legte das Gesicht in die Hände und ließ seinen Lungen einen langen, zitternden Atemzug entweichen. Alles war perfekt nach Plan verlaufen. Er hatte die Formation über ihr Angriffsziel im Unklaren gelassen, das war nichts Ungewöhnliches. Sie flogen schnell, und er hatte gehofft, dass Kay zu spät erkennen würde, wohin ihr Flug ging und dann keine Gelegenheit mehr finden würde, auszubrechen oder zu fliehen. Es war riskant gewesen und beinahe hätte es geklappt. Womit er nicht gerechnet hatte, war Kays stärker gewordene Verbindung zu den Dracyr der Formation. Er hatte ihr befohlen, sich nicht dauerhaft an Gormydas zu binden, aber er hätte wissen müssen, dass sie seine Warnung in den Wind schlagen würde. Sie war dickköpfig, stur, widerspenstig und voller Zorn. Sie war stark und tapfer, wendig und klug. Sie war weich und sanft und voller Süße…
    Er rieb sich über die Augen und die Stirn. Der Angriff hätte in Windeseile über die Bühne gehen sollen. Wie immer hätte Paindal die Formation übernommen, dann wäre ein geordneter Sturzflug erfolgt, die Hütten wären in Brand gesetzt worden, Vollzugsmeldung an Lord Harrynkar, Rückzug Paindals aus dem Gemeinschaftsbewusstsein. Keiner der beiden hätte bemerkt, dass niemand getötet worden und nichts anderes als leere Hütten zu Schaden gekommen waren. Aber Kay hatte ihn überrumpelt. Ihr plötzlicher Zugriff auf Noctyria hatte Paindal alarmiert, der sofort seinen Griff auf die Formation verstärkt hatte und sie hinter Kay herjagte. Es war bemerkenswert, dass Paindal es nicht geschafft hatte, Gormydas zu übernehmen. Aber das war nicht das einzig Bemerkenswerte: Kay hatte für einige entscheidende Augenblicke die alleinige Kontrolle über die Formation gewonnen. Damian begriff nicht, wie ihr das gelungen war. Paindal hatte sich entfernt und war dann wieder zurückgekehrt, um erneut ins Geschehen einzugreifen. Dann wandte sich das Blatt. Kay war dem Angriff durch Lord Harrynkar hilflos ausgeliefert. Der schieren, körperlichen Stärke seines Vaters war sie nicht gewachsen.
    Damian rang noch in der Luft um die Herrschaft über die Formation, die Paindal ihm erstaunlich bereitwillig überließ. Wahrscheinlich war der Dracer zu begierig darauf gewesen, Kays Ende mitzuerleben, ohne dabei durch etwas anderes abgelenkt zu werden.
    Damian stand auf und ging zu einem der Turmfenster. Er lehnte sich in die tiefe Laibung und blickte auf die Stadt hinunter, ohne sie wirklich zu sehen. Der gewittrige Dunst, der seit Tagen die Luft schwer und dick machte, verschleierte die Sicht auf die Bergketten in der Ferne. Wie wohltuend wäre jetzt die kalte Luft über den Gipfeln. Er musste sich nur auf Noctyrias Rücken setzen. Fliegen, sich um nichts kümmern, keine Pläne, keine Strategien, keine Bündnisse, die zu bedenken waren, keine Sorgen um die Zukunft und keine quälenden Schuldgefühle…
    Er wandte sich mit einem unterdrückten Fluch ab. Das war kindisches Wunschdenken. Seiner Schuld konnte er nicht entfliehen, noch nicht einmal, wenn er mit Noctyria ans Ende der Welt flüchtete. Damit musste er von jetzt an leben, bis ans Ende seiner Tage. Der Schmerz drang wieder durch die Betäubung und nahm ihm den Atem.
    Mit drei langen Schritten kehrte er an den Tisch zurück und schenkte sich ein Glas des schweren Weins ein, den sein Vater bevorzugt hatte. Damian hatte ihn nie gemocht, zu betäubend, zu dunkel. Aber in den letzten Tagen hatte er das herbe Getränk zu schätzen gelernt, es betäubte den Schmerz und die Selbstvorwürfe und ließ seinen Geist zur Ruhe kommen. Tropfen rannen über seine Finger und spritzten auf die Papiere, die überall ausgebreitet lagen. Blutrot. So rot wie das Blut, das die Messerklinge benetzt hatte und seine Hand färbte. Der Dolch war wie von selbst aus seinem Gürtel geglitten, hatte sich in seine Hand

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