Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
konnte.
Mathys legte den Kopf nachdenklich schief. „Wir könnten einfach versuchen ihn aufzuscheuchen und an der Ostseite des Waldes in die Enge zu treiben.“
„Etwas Besseres fällt mir auch nicht ein“, sagte Daan. „Es versteht sich wohl von selbst, dass wir ihn nicht zu sehr erschrecken“, fügte er vorsichtshalber noch hinzu. „Ich will nicht, dass meinem Retter auch nur ein Haar gekrümmt wird. Es ist schon grausam genug, dass wir ihm Haare ausreißen müssen.“
Daan, Julie und Mathys brachten das Buch wieder zu Chris zurück. Sie fanden ihn in seiner dunklen Kammer in der Burg an einem Stehpult. Bei Kerzenschein schrieb er mit Hilfe einer Feder und eines altmodischen Tintenfasses auf ein Pergamentpapier.
„Und, hat euch das Buch geholfen?“, fragte Chris interessiert.
Julie antwortete für alle: „Es stand etwas Komisches drin, eher ein Gedicht oder so; irgendwie war der Hirsch Schuld, und jetzt muss er sein Los tragen – aber weitergebracht hat uns das leider nicht“, sagte sie niedergeschlagen.
„Zumindest wissen wir jetzt, wie der Wald und der Bach genau verlaufen; wir wollen versuchen den Hirsch vorsichtig in die Enge zu treiben“, schloss Mathys den Bericht für Chris ab.
„Nun, ich wünsche euch eine ruhige Hand“, sagte Chris indem er sich wieder seinem Stehpult zuwandte. „Und denkt daran, allen Wesen wohnt die gleiche Göttlichkeit inne“, fügte Chris mit einem Lächeln hinzu, als die drei schon halb aus der Tür waren.
„Lasst uns mal langsam wieder zum Jagdwald gehen“, sagte Julie. Sie erhoffte sich von den ersten zurückgekommenen Grüppchen mehr Informationen, denn das, was sie bis jetzt herausgefunden hatten, würde ihnen wohl nicht sehr viel nützen.
Mathys grübelte vor sich hin, doch plötzlich hellte sich sein nachdenkliches Gesicht auf. „Daan, den Spruch haben wir doch heute schon mal gehört, so mit Wesen und Göttlichkeit – hilf mir mal, ich komme nicht darauf.“
Daan nickte. „Leung Jan war es, heute Morgen. Und wir kennen auch Chris wohl gut genug, um zu wissen, dass diese Worte ein Hinweis sind“, antwortete er. „Wenn ich nur wüsste, was sie bedeuten.“
Tief in Gedanken versunken kamen die Gefährten zum Platz vor Leung Jans Haus, der an diesem Tag eher einem Marktplatz ähnelte als einer ruhigen Wiese. Überall saßen Grüppchen von Anwärterinnen mit ihren Gefährten. Die Mittagszeit war gerade erst vorbei, und so standen allerorten auf einfachen Hockern noch helle Schüsseln mit goldgelb gerösteten Maiskolben und zart duftenden Fleischpasteten herum. Als ihr Magen anfing zu knurren, wurde sich Julie bewusst, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen hatte. In der ganzen Aufregung hatte sie das völlig vergessen! Ihren beiden Gefährten erging es nicht anders, deshalb machten sie sich gemeinsam über die leckeren Sachen her. Nach dem Essen waren alle drei schon viel zuversichtlicher.
„Vielleicht ist der Hirsch gar nicht so genervt, ist ja eigentlich ein schöner Tag heute“, sagte Mathys schmunzelnd.
„Essen hilft auf jeden Fall, ich fühle mich auch schon besser“, gab Julie zurück.
Daan sprang auf. „Ich muss noch einmal kurz weg, ich habe was vergessen“, rief er und ging mit langen Schritten davon. Julie rief noch “Was denn?“ hinterher, bohrte aber nicht weiter nach, als sie Mathys lachendes Gesicht sah. Er schüttelte den Kopf so heftig, dass die blonden Locken wackelten. „Keine Chance, wenn er so drauf ist, sagt der kein Wort.“
Verschnupft setzte Julie sich wieder ins Gras.
„Sei nicht sauer, die Zeit, die ich mit Daan verbracht habe, hat mich Geduld gelehrt. Er wird schon seinen Grund haben, wir werden es sicher bald sehen.“
In diesem Moment gab es ein Gedrängel und Getuschel am Rand des Waldes. Eine der Gruppen war mit einer Hand voll weißer Haare aus dem Wald gekommen. Zerrupft und mit Blättern im Haar ließen sich die Ankömmlinge feiern. Danach fielen sie hungrig über das Essen her, die Hatz auf den Hirsch war anstrengend gewesen.
„Lass uns mal dichter heran gehen.“ Julie stand auf. „Ich möchte hören, wie die anderen es geschafft haben.“
Mit vollem Mund erzählten die drei Siegreichen gerade ihre Geschichte. „Der ist verdammt flink, das kann ich euch sagen!“, prahlte ein Mädchen, das Julie nur flüchtig kannte, Sabine hieß sie wohl. „Genau“, sagte ihr Begleiter, ein rothaariger schmaler Junge, “ich hatte ihn schon fast, da ist er mit einem Riesensatz wieder
Weitere Kostenlose Bücher