Dunkle Gefährtin
Sprecht nicht mit der Matriarchin, bevor sie euch anspricht! Sollte sie bei unserer Ankunft entscheiden, dass sie doch nicht mit uns reden will, fahren wir wieder. Keine Fragen, keine Widerrede!«
Samantha wurde misstrauisch. »Allmählich fange ich an, das Ganze für eine schlechte Idee zu halten.«
»Es ist eine schlechte Idee«, bestätigte Fulton düster.
»Das ist ihre Art, sich zu schützen«, erklärte Tain von hinten. »Matriarchinnen leben in permanenter Angst, von einem feindlichen Clan oder ihren eigenen Leuten gestürzt zu werden.«
»Ja, so wird es wohl sein«, sagte Samantha. »Mich wundert, dass sie Tain tatsächlich zu sich lässt.«
»Sie weiß, wer er ist und was er letztes Jahr mit dem Ewigen gemacht hat«, beantwortete Fulton ihre implizite Frage. »Sie hat zugegeben, dass sie neugierig ist.«
Sie fuhren durch Beverly Hills, entlang penibelst gepflegter Straßen und vorbei an großen Villen. Am Ende einer besonders langen, gewundenen Straße befand sich ein riesiges schmiedeeisernes Tor, das beinahe zerbrechlich wirkte, auch wenn deutlich zu erkennen war, dass es ziemlich massiv sein musste.
Fulton hielt am Torhaus, aus dem zwei Wächter – beide Dämonen – herausgeschlendert kamen, die sie fragten, was sie wollten, und den Wagen durchsuchten. Tain musste seine Schwerter abgeben und Samantha ihre Waffe; allerdings sorgte Tain dafür, dass die Wachen sie in einem Schrank verschlossen, statt sie einfach auf einem der Schreibtische abzulegen.
Nachdem sie über Funk mit dem Haupthaus gesprochen hatten, wiesen die Wächter Fulton an, er solle seinen Wagen auf einem gekennzeichneten Platz auf halbem Weg zum Haus zu parken. Zwei weitere Wächter kamen in einem Elektroauto dorthin und chauffierten sie das letzte Stück bis zum Haus. Samantha entging nicht, dass der Parkplatz strategisch klug gewählt war. Falls sie nämlich Sprengstoff hereinschmuggelten, stand ihr Wagen zu weit vom Haus wie vom Torhaus entfernt, um irgendjemanden ernsthaft zu gefährden.
»Auf eine Militärbasis zu kommen ist einfacher«, bemerkte Samantha, als Tain ihr vor dem Haus aus dem Wagen half.
»Die Matriarchin kann kein Risiko eingehen«, sagte Fulton hörbar angespannt.
Er war nervös, was sich an seinem Gang wie auch an seinem starren Blick zeigte. Tains eine Hand lag locker auf Samanthas Rücken, als sie die wenigen flachen Stufen zur Tür hinaufstiegen, die von Sicherheitslichtern angestrahlt wurden. Seine Wärme bildete einen deutlichen Kontrast zu der Todesmagie, die das ganze Haus umhüllte, und Samantha fragte sich, wie er sie aushielt.
Drinnen erwarteten sie noch mehr Sicherheitsleute. Die Villa war so protzig wie die eines x-beliebigen Filmmillionärs. Zu beiden Seiten der großen Diele gingen luxuriöse, leere Empfangszimmer ab. Eine schmiedeeiserne Wendeltreppe in der Mitte des Hauses führte nach oben. Wie alles andere, was sie bisher gesehen hatten, war auch dieser Teil der Villa vollkommen leer.
Durch das Westfenster fiel das rötliche Licht des Sonnenuntergangs herein, und hohe Bäume warfen dunkle Schatten in die Räume. Die Wachen brachten sie zum hinteren Teil des Hauses, wo sich ein kleiner Aufzug befand.
Samantha hatte erwartet, dass sie mit dem Aufzug nach oben fahren würden, doch er glitt nach unten. Für einen kurzen Moment verlor sie das Gleichgewicht und griff unwillkürlich nach etwas, das ihr Halt gab. Zufällig war das Tain, dessen Handgelenk sie packte. Als sie die Hand wieder zurückziehen wollte, legte er seine darüber, um sie festzuhalten.
Das Untergeschoss war ebenso opulent wie das obere, und aus den Zimmern, die von der Diele abgingen, fiel künstliches Licht statt Sonnenlicht herein. Auch hier waren die Räume praktisch leer.
Der Wachmann klopfte an eine verschlossene Doppeltür am Ende der Diele, worauf eine große dünne Frau mit kurzem Haar öffnete. Sie trug ein strenges Kostüm.
Es handelte sich eindeutig um eine Dämonin, und dennoch erinnerte sie Samantha an die Empfangsdamen in Hollywoods Nobelrestaurants, wo Topmanager und Filmleute ein und aus gingen. Die Frau betrachtete die drei mit kalten dunklen Augen, stellte sich als die Hausdame vor und sagte, die Matriarchin würde sie jetzt empfangen.
»Samantha, was möchten Sie trinken?«, fragte eine Stimme von der anderen Seite des Raumes. Eine zweite Frau wandte sich zu ihnen um, die bei einem vergoldeten Teewagen mit Kristallgläsern, edlen Karaffen und Flaschen stand. Mit einer Silberzange nahm sie einen
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