Dunkle Gefährtin
Eiswürfel aus einem Behälter und sah Samantha an.
Die Matriarchin war genauso groß und dünn wie ihre Hausdame und trug ihr graumeliertes Haar kurz und streng geschnitten. Ihr graues Seidenkostüm und die hochhackigen Schuhe schrien
teuer
. An jedem ihrer Finger prangten Goldringe mit kleinen kostbaren Steinen. Ihr ganzer Look entsprach dem einer mächtigen Frau, die schon lange genug im Geschäft war, um zu einer wichtigen Größe zu avancieren. Dämonen konnten frei wählen, wie alt sie in Menschengestalt aussehen wollten, und die Matriarchin hatte sich für Ende fünfzig entschieden – wohl um Respekt einzuflößen.
Fulton warf Samantha einen Blick zu, dass sie lieber rasch antwortete: »Ich nehme das Gleiche wie Sie.«
Die Matriarchin schien enttäuscht. »Dann also Scotch mit Soda.«
»Gern, danke.«
Die Matriarchin mixte den Drink selbst, bot Tain oder Fulton jedoch nichts an. »Ich habe gehört, was Sie letztes Jahr mit Kehksut gemacht haben«, sagte sie beiläufig zu Tain. »Ich war sehr erfreut über seinen Tod. Er störte das Gleichgewicht unter den Dämonen, besonders hier in Los Angeles.«
»Ja, ich war auch erfreut über seinen Tod.« Tains blaue Augen waren vollkommen ruhig.
»Natürlich waren Sie das«, entgegnete die Matriarchin mit einem wissenden Blick, bevor sie wieder zu Samantha sah. »Sie, Samantha, schützen Menschen von Berufs wegen vor Ihrer eigenen Art.«
»Nicht nur Menschen«, erwiderte Samantha, die das schwere Kristallglas annahm, das die Hausdame ihr brachte. »Ich arbeite gegen alle paranormalen Verbrecher – Dämonen, Vampire oder andere. Und ich schütze auch unsere Art vor Menschen oder sonstigen Paranormalen, die ihnen Schaden zufügen.«
»In unserer großen Stadt leben alle Arten zusammen«, sagte die Matriarchin beißend. »Ein Hoch auf die Vielfalt!«
»Nur so kann Los Angeles überleben.«
»Ihr menschliches Blut trübt Ihre Wahrnehmung. Dämonen wollen nicht mit anderen Arten zusammenleben. Wir bleiben gern unter uns. Die Vampire können bei Tageslicht nicht heraus, was uns einen großen Vorteil beschert. Die Menschen fürchten die Nacht, was ebenfalls von Vorteil für uns ist. Wenn die niederen Arten sich gegenseitig umbringen, bleiben die Dämonen übrig. Wo stehen Sie dann?«
Samantha fühlte Tain hinter sich. Auch wenn er stumm war, beruhigte sie seine Stärke. Die Matriarchin war offenbar eine Dämonin, die ausschließlich Dämonen achtete. Wenngleich sie Menschen verführen dürfte, um sich deren Lebensessenz zu nehmen, waren es für sie bloß dämliche Opfer. Sie brachte ihnen genauso viel Achtung entgegen wie ein Mensch dem Hähnchenstück auf seinem Teller. Und ein Dämon mit menschlichem Blut galt für sie wahrscheinlich noch weniger.
»Ich habe meinen Vater gebeten, mich herzubringen, weil ich mit Ihnen über Dämonen sprechen möchte, auf die jemand in der Stadt Jagd macht«, begann Samantha, die es für das Beste hielt, direkt zur Sache zu kommen, statt weiter die Klingen zu wetzen. »Merrick, ein Lamiah-Dämon, der einen Club in Venice hatte, bekam Drohbriefe, und dann wurde sein Club niedergebrannt. Ein Djowlan-Clubbesitzer wurde ebenfalls bedroht, und zwei junge Frauen vom Lamiah-Clan wurden gekidnappt und gefoltert, eine von ihnen getötet.«
»Ja, von dieser Nadia und ihrer Schwester hörte ich«, erklärte die Matriarchin frostig. »Wir werden keine Rache üben, denn sie sind keine Lamiah mehr. Das waren sie schon vor dem Zwischenfall nicht mehr.«
Samantha blinzelte. »Waren sie nicht? Warum nicht?«
»Ihre Familie hat sie verstoßen, wie es sein muss. Eine Dämonin, die sich auf der Straße an Menschen verkauft, ist etwas Widerliches. Wenn sie in Clubs arbeiten, ist das schon kaum hinzunehmen, aber werden sie zu Prostituierten, sind sie eine Schande für ihre Familie und den Clan.«
»Aha.« Aus unerfindlichen Gründen hatte Samantha immer geglaubt, dass ein Dämon mit Menschen tun konnte, was er wollte, ohne bei anderen Dämonen anzuecken. Der Gedanke, dass Dämonen es ablehnten, wenn sich ihresgleichen von Menschen bezahlen ließen, an denen sie sich nährten, war ihr noch nie gekommen.
»Halten Sie mich für zu streng?«, fragte die Matriarchin.
»Ja.«
»Das ist unverzichtbar. Frauen regieren die Clans nicht zufällig. Würden Männer sie führen, hätten wir Chaos und Zerstörung, ja, wir wären schon längst ausgestorben. Frauen, die sich von Männern versklaven lassen, sind abstoßend. Wer sich nicht an die Regeln hält,
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