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Dunkle Materie

Dunkle Materie

Titel: Dunkle Materie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aner Shalev
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zu vernachlässigen. Er drehte den Heißwasserhahn bis zum Anschlag auf und fing an, sich auszuziehen, das Rauschen des Wassers, das in die Badewanne lief und bald seinen Körper bedecken würde, kam ihm wie eine angenehme Massage vor, er hielt einen Fuß hinein, um die Temperatur zu kontrollieren, ließ noch ein bisschen kaltes Wasser zulaufen und legte sich in die Badewanne, er staunte, wie viel Spaß es ihm machte. Am Anfang lag er einfach bewegungslos da, wie ein hilfloses Baby, und versuchte an nichts zu denken, nur in der Gegenwart zu leben, aber die Gedanken an die Zukunft ließen sich nicht wegschieben, das heißt die Gedanken an Eva, an Evas Körper, an das Vergnügen, das ihn erwartete, und auch jetzt, in der Badewanne, fühlte er sich von Liebe umhüllt, als könnte Wasser lieben, wenn es nur die richtige Temperatur hat.
    Aber das Vergnügen, fast eine Stunde in der Badewanne zuliegen, war nur die Vorschau für den Hauptfilm, der bald beginnen und eine Woche dauern würde. Er berührte sich, versuchte, sich auf das gegenwärtige Vergnügen zu konzentrieren, es zu verdoppeln, und er sagte sich, es wäre vielleicht besser, das Zimmer überhaupt nicht zu verlassen, und wenn es möglich wäre, wäre er am liebsten die ganze Zeit in ihr, ohne sie einmal zu verlassen. Er fing an, sich Stellungen vorzustellen, die eine größtmögliche Berührungsfläche zwischen ihnen erlauben würden, und versuchte, die Berührung tatsächlich zu spüren, den Druck ihrer Oberschenkel an seinen, ihres Bauchs an seinem, ihrer vollen Brüste an seiner Brust, eine Woche lang, und die Lippen, die Zunge, die Wimpern. Er erinnerte sich, wie es war, bevor sie miteinander geschlafen hatten, bevor sie sich berührt hatten, eigentlich schon damals auf der Straße, als er ihr aufzustehen half, nachdem er sie verletzt hatte, sie trug ein weißes T-Shirt und eine graue Jogginghose, er würde den Ausdruck ihres Gesichts hinter dem Vorhang aus langen blonden Haaren nie vergessen, eine Mischung aus Bestürzung und Neugierde. Schon damals war ihm klar gewesen, was geschehen würde, er hatte etwas fast Animalisches gespürt, das sie aneinander anzog, und hatte gewusst, dass sie diesem Drang nicht würden widerstehen können, obwohl er anfangs versuchte, alles noch zu bremsen oder das Ausmaß ihres Interesses mit einer amüsierten Neugier zu prüfen, aber es waren sinnlose Versuche geblieben, so sinnlos wie die Manöver, in letzter Minute einen unvermeidlichen Krieg zu verhindern, um in der Meinung der Weltöffentlichkeit ein paar Punkte zu gewinnen.
    Er suchte in dem Körbchen mit kleinen Flaschen, das am Badewannenrand stand, nach Schaumbad, fand aber nur Shampoo und Haarspülung und nahm die normale Seife. Als er sich einschäumte, wurde ihm klar, dass er sich eigentlich von Ruth reinigte, denn er hatte noch an diesem Morgen mit ihr geschlafen, wie sie es immer taten, bevor einer von ihnen abflog, vielleicht bedeutete dieses Bad eine Art Trennlinie, einen Säuberungsritus,um nicht zu schnell von einer Hand in die andere zu wechseln, wer weiß, vielleicht veränderte ihn das Bad ja auch, schon jetzt war seine Haut weicher, sodass der Mann, der vor wenigen Stunden mit Ruth geschlafen hatte, nicht mehr der Mann war, der in ein paar Stunden mit Eva schlafen würde, und diese Idee, dass in ihm verschiedene Menschen wohnten, verschiedene Identitäten, verlieh ihm eine gewisse Gelassenheit. Nein, er war keiner, der fremdging, grundsätzlich war er treu, nur dass er jeden Tag einer anderen Frau treu war.
    Er war froh, dass Eva erst um Mitternacht landen würde, dann war es schon ein neuer Tag, wenn er mit ihr schlief, ein neues Datum, und das bedeutete, dass er nicht am gleichen Tag mit zwei verschiedenen Frauen schlief, und auch diese Vorstellung einer zusätzlichen Trennlinie, der des Datums, erfüllte ihn mit Gelassenheit, genau wie das Wasser in der Badewanne, das trüb war von der Seife, und er sagte sich, dass es an der Zeit sei zu duschen. Er stand auf und beendete das Ritual mit einer ausgiebigen Dusche, danach rasierte er sich gründlich, betupfte sich mit dem Aftershave, das Eva ihm geschenkt hatte, und blieb dann, statt sich anzuziehen, einfach nackt. Er schaute durch das kleine Fenster auf den Washington Square hinunter, der sich jetzt, vor Feiertagsbeginn, immer mehr leerte, er wischte die von seinem Atem

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