Dunkler Engel
sagen, denn das hätte zu Fragen ihrerseits geführt, die er nicht hätte beantworten können.
Ihr Wagen kam. Sie stieg ein und fuhr davon.
Also, was sollte er denn jetzt bloß mit ihr machen?
Er könnte ihr einfach die Wahrheit sagen, aber dann konnte er sich schon vorstellen, wie die Unterhaltung verlaufen würde.
»Schauen Sie, Rachel, jeder Mensch auf der Erde hat einen Schutzengel. Manchmal meldet sich ein Engel freiwillig für diesen Job. Das könnte ein Vorfahr von Ihnen sein oder ein Freund oder eine nahestehende Person, die schon das Zeitliche gesegnet hat. Wenn niemand zur Verfügung steht, wird einem anderen Engel diese Aufgabe übertragen. Die Regel ist, dass jeder beschützt wird. Den Schutzengeln ist es aber nicht erlaubt, sich in Ihr Leben einzumischen. So können sie zum Beispiel nicht den Bus stoppen, der gerade dabei ist, Ihr Auto zu rammen. Sie versorgen Sie mit spirituellem Schutz. Sie bekämpfen hier die Dämonen, gegen die wir in der Vorhölle kämpfen. Ihr Engel kämpft für Ihre Seele, Rachel, und wenn dieser Engel verschwunden ist, ist Ihre Seele in Gefahr. Sie spüren, dass Ihr Schutzengel weg ist. Da haben Sie recht. Und es war Ihr Freund, der Ihren Engel umgebracht hat.«
Derek schüttelte seinen Kopf und lächelte schwach. Ja, richtig. Hier wird sie stehen, mich anstarren, als hätte ich den Verstand verloren, und dann laut schreiend in Richtung Ausgang laufen.
Er hatte genug über die Sterblichen gelernt, um zu wissen, dass sich viele Leute in diesem Zeitalter der Technologie und Wissenschaft über die Vorstellung von einem Schutzengel lustig machen würden.
Wenn man es nicht sehen oder fühlen kann, würden sie sagen, dann glauben wir auch nicht daran. Aber auf der anderen Seite glaubten dieselben Leute an Elektronen, Neutronen und Protonen. Die konnten sie auch nicht sehen, aber weil die Wissenschaft behauptete, dass es sie gibt, glaubten sie daran. Alles sehr seltsam. Es könnte ja sein, dass er sich in Rachel täuschte, aber er hatte das Gefühl, dass sie eine von den Spöttern war.
Und was die Sache noch komplizierter machte, war, dass das Verhältnis zwischen ihnen beiden auf dem besten Wege war, persönlicher zu werden. Sie war nicht langer nur eine Mission. Sie war eine Frau mit einem bezaubernden Gesicht, duftendem Haar und dunklen, feurigen Augen. Auch wenn sie nicht in der Nähe war, hörte er ihre Stimme und roch den Duft ihres Parfüms. Sie war grazil und schön und gleichzeitig mutig und furchtlos. Einmal hatte er gedacht, sie könnte den armen Typen an der Garderobe, der ihren Mantel hielt, bewusstlos schlagen. Sie hatte keine Angst gehabt, als sie vor der Polizei davonliefen. Er hatte sogar den Eindruck, dass sie es aufregend fand. Sie liebte Abenteuer. Sie liebte es, etwas zu riskieren. In ihrem Blick war etwas, das er bei Männern im Kampf gesehen hatte. Sie fürchtete sich vor gar nichts.
Wenn er ihr erzählen würde, dass ihr Schutzengel vermisst wurde und Zanus dahintersteckte, würde sie das nicht ängstigen - selbst wenn sie ihm glauben würde, was sie wahrscheinlich nicht täte.
Irgendwie musste er ihr das begreiflich machen. Sie durfte nicht so mutig sein. Sie musste ängstlicher sein. Angst war der Schlüssel zur Selbsterhaltung.
Derek fuhr hoch. Er hatte nicht viel Schlaf bekommen, war fast die ganze Nacht auf gewesen, hatte über Rachel und Zanus nachgedacht und sich gefragt, was er nur tun könnte. Er musste in seinem Stuhl eingeschlafen sein. Er fragte sich benommen, was ihn wohl geweckt hatte, und dann hörte er es noch einmal. Jemand klopfte laut an die gläserne Eingangstür.
Derek sah hinaus und seufzte. Es war Engel William, immer noch in seinem abgerissenen Mantel und dem schäbigen Hut. Derek wusste, dass er sich auf etwas gefasst machen konnte. Er hatte keine Wahl.
Derek öffnete die Tür, und William stürmte herein. Er war völlig außer Atem und schnappte nach Luft.
»Polizei in dieser Stadt... stur ... total stur ...« Er musste aufhören zu keuchen.
Derek holte ihm einen Stuhl, und William ließ sich darauf sinken.
»William«, fing Derek an. »Wir haben ein Problem ...«
William riss sich den schäbigen Hut vom Kopf und fing an, damit auf Derek einzuschlagen.
»Dass wir ein Problem haben, drauf kannst du wetten!«, schrie William, während er Derek mit dem Hut schlug. »Was zum Teufel ist los mit dir? Ist dir eigentlich klar, was letzte Nacht hatte passieren können? Du hättest verhaftet werden können! Wenn ich nicht
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