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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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einen überraschten Blick zuwarf. Sie dachte schließlich, dass ich ihren Sohn gerade zum ersten Mal getroffen hatte.
    »… die zweite Möglichkeit«, fuhr der Vollbart sichtlich unbeeindruckt fort, »ist, dass Stourton einen Mann im wahrsten Sinnezu Tode erschreckt und einen seiner Knechte mit seinem Körper ausgestattet hat.«
    »Mit seinem Körper? Geister können tote Körper benutzen?« Meine Stimme war nur ein entsetztes Krächzen.
    Zelda stellte die Tasse ab und setzte sich kerzengerade auf.
    »Nein, können sie NICHT!«, sagte sie sehr entschieden. »Hör auf, dem Jungen solche Geschichten zu erzählen, Matthew! Du weißt, dass ich sie für kompletten Unsinn halte! Sie sind Hirngespinste, Aberglaube, nichts weiter! Stourton wird irgendeinen Bauern erschreckt haben, indem er nachts aus seiner Scheune geritten ist und ihm so viel Angst eingejagt haben, dass der Dummkopf den Brief geschrieben und Ella verschleppt hat, als sie zur Schule ging!«
    Der Vollbart griff nach seinem Kaffee (natürlich trank er ihn ohne Zucker) und hüllte sich in bedeutsames Schweigen.
    »Aber … aber ich versteh immer noch nicht, warum Stourton überhaupt noch hier ist!«, stammelte ich. »Longspee hat sie alle zur Hölle geschickt. Ich hab es gesehen!«
    Der Vollbart verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln. »Du hast gesagt, Stourton hätte eine Hülle zurückgelassen.«
    »Und?«
    »Er ist ein Schlüpfer.«
    Zelda verdrehte die Augen, aber der Vollbart war sichtlich in seinem Element. Ich hatte ihn erst einmal so leidenschaftlich über ein Thema reden hören – als er meiner Mutter die Auswirkungen von Limonade auf Kinderzähne erläutert hatte.
    »Im Mittelalter«, fuhr er fort, »gab es den Aberglauben, dassein Mann, der gehängt wurde, sich vor der ewigen Verdammnis schützen konnte, indem er die Haut einer Zwiebel mit seinem Blut tränkte und unter die Zunge steckte, bevor man ihn hängte. Auf die Art, hieß es, konnte er seinen Geist mit einer Hülle umgeben, die ihn vor der Hölle schützen und siebenmal nachwachsen konnte. Die Henker waren angewiesen, den Verurteilten deshalb unter die Zunge zu sehen, aber Stourton war reich genug, einen Henker zu bestechen.«
    »Siebenmal?«, murmelte ich.
    »Ja.« Der Vollbart nickte, als hätte ich nach der Anzahl seiner Plomben gefragt. »Wir können nur hoffen, dass die, die du gesehen hast, die siebte war. Wie viele Knechte, sagst du, hatte er bei sich?«
    »Vier«, murmelte ich.
    »Haben sie auch Hüllen hinterlassen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Hm.« Er zupfte sich am Bart, wie immer, wenn er nachdachte. »Wenn wir Glück haben, hat er nur einen zurückbringen können. Angeblich kann man Geister zurückrufen, wenn man ihnen den Körper eines Toten anbietet. Um all seine Knechte zurückzuholen, hätte Stourton vier Männer umbringen müssen. Das wäre in einem kleinen Ort wie Kilmington wohl aufgefallen. Andererseits, wenn sie die Leichen gleich als Körper benutzen …«
    »Oh Schluss, Matthew!« Zelda presste ihm ihre Hand auf den Mund. »Du hast schon immer eine Vorliebe für die finstersten Geschichten gehabt. Selbst, als du so alt wie Jon warst!«
    »Aber wieso weiß er all das über Geister?«, fragte ich sie. »Seitwann wissen Zahnärzte so was? Oder hat er meine Mutter belogen und ist in Wirklichkeit irgendein geheimer Geisterjäger?«
    »Deine Mutter?« Zelda sah den Vollbart verständnislos an. »Was hast du mit Jons Mutter zu tun?«
    »Sie ist die Frau, mit der ich zusammenlebe, Mutter. Imogen Whitcroft. Ich habe sie dir vorgestellt! Eine von den Kröten ist ihr auf den Schoß gesprungen!«
    Zelda musterte mich mit großen Augen. »Ach, dann ist Jon der verzogene kleine …?«
    Der Vollbart ließ sie nicht aussprechen.
    »Natürlich bin ich Zahnarzt!«, stellte er stattdessen mit deutlich beleidigter Stimme fest (ich hatte meine Zweifel daran eher als Kompliment gemeint). »Aber was erwartest du mit einer Mutter wie Zelda? Sie hat mich zu Dutzenden von Geistertouren mitgenommen, als ich in deinem Alter war. Für einige musste ich mich sogar verkleiden und selbst den Geist spielen! Seither lese ich alles über sie, was ich finden kann. Obwohl ich bislang enttäuschenderweise nicht einem begegnet bin.«
    »Nun, das wird sich heute Abend wohl ändern«, stellte Zelda mit düsterer Miene fest.
    Der Vollbart blickte nicht so drein, als ob ihn das mit freudiger Erwartung erfüllte – was mich nicht überraschte. Ich hielt ihn immer noch für jemanden, der sich in

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