Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Effi Briest

Effi Briest

Titel: Effi Briest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
sinkende Nacht..., na, die taugt auch nichts, die taugt erst recht nichts. Lauter schlechtes Volk, happig und gierig und hartherzig, und haben mir barsch und unfreundlich und mit allerlei Redensarten meinen Lohn ausgezahlt, bloß weil sie mußten und weil es bloß noch sechs Tage sind bis zum Vierteljahrsersten. Sonst hätte ich nichts gekriegt; oder bloß halb oder bloß ein Viertel. Nichts aus freien Stücken. Und einen eingerissenen Fünfmarkschein haben sie mir gegeben, daß ich nach Berlin zurückreisen kann; na, es reicht so gerade für die vierte Klasse, und ich werde wohl auf meinem Koffer sitzen müssen. Aber ich will auch gar nicht; ich will hier sitzen bleiben und warten, bis ich sterbe... Gott, ich dachte nun mal Ruhe zu haben und hätte auch ausgehalten bei der Alten. Und nun ist es wieder nichts, und soll mich wieder rumstoßen lassen. Und katholsch bin ich auch noch. Ach, ich hab es satt und läg am liebsten, wo die Alte liegt, und sie könnte meinetwegen weiterleben... Sie hätte gerne noch weitergelebt; solche Menschenschikanierer, die nich mal Luft haben, die leben immer am liebsten.«
    Rollo, der Effi begleitet hatte, hatte sich mittlerweile vor die Person hingesetzt, die Zunge weit heraus, und sah sie an. Als sie jetzt schwieg, erhob er sich, ging einen Schritt vor und legte seinen Kopf auf ihre Knie.
    Mit einem Male war die Person wie verwandelt. »Gott, das bedeutet mir was. Da is ja 'ne Kreatur, die mich leiden kann, die mich freundlich ansieht und ihren Kopf auf meine Knie legt. Gott, das ist lange her, daß ich so was gehabt habe. Nun, mein Alterchen, wie heißt du denn? Du bist ja ein Prachtkerl.«
    »Rollo«, sagte Effi.
    »Rollo; das ist sonderbar. Aber der Name tut nichts. Ich habe auch einen sonderbaren Namen, das heißt Vornamen. Und einen andern hat unsereins ja nicht.«
    »Wie heißen Sie denn?«
    »Ich heiße Roswitha.«
    »Ja, das ist selten, das ist ja...«
    »Ja, ganz recht, gnädige Frau, das ist ein katholscher Name. Und das kommt auch noch dazu, daß ich eine Katholsche bin. Aus 'm Eichsfeld. Und das Katholsche, das macht es einem immer noch schwerer und saurer. Viele wollen keine Katholsche, weil sie soviel in die Kirche rennen. ›Immer in die Beichte; und die Hauptsache sagen sie doch nich‹ – Gott, wie oft hab ich das hören müssen, erst als ich in Giebichenstein im Dienst war und dann in Berlin. Ich bin aber eine schlechte Katholikin und bin ganz davon abgekommen, und vielleicht geht es mir deshalb so schlecht; ja, man darf nich von seinem Glauben lassen und muß alles ordentlich mitmachen.«
    »Roswitha«, wiederholte Effi den Namen und setzte sich zu ihr auf die Bank. »Was haben Sie nun vor?«
    »Ach, gnäd'ge Frau, was soll ich vorhaben. Ich habe gar nichts vor. Wahr und wahrhaftig, ich möchte hier sitzen bleiben und warten, bis ich tot umfalle. Das wär mir das liebste. Und dann würden die Leute noch denken, ich hätte die Alte so geliebt wie ein treuer Hund und hätte von ihrem Grabe nicht weg gewollt und wäre da gestorben. Aber das ist falsch, für solche Alte stirbt man nicht; ich will bloß sterben, weil ich nicht leben kann.«
    »Ich will Sie was fragen, Roswitha. Sind Sie, was man so ›kinderlieb‹ nennt? Waren Sie schon mal bei kleinen Kindern?«
    »Gewiß, war ich. Das ist ja mein Bestes und Schönstes. Solche alte Berlinsche – Gott verzeih mir die Sünde, denn sie ist nun tot und steht vor Gottes Thron und kann mich da verklagen –, solche Alte, wie die da, ja, das ist schrecklich, was man da alles tun muß, und steht einem hier vor Brust und Magen, aber solch kleines, liebes Ding, solch Dingelchen wie 'ne Puppe, das einen mit seinen Guckäugelchen ansieht, ja, das ist was, da geht einem das Herz auf. Als ich in Halle war, da war ich Amme bei der Frau Salzdirektorin, und in Giebichenstein, wo ich nachher hinkam, da hab ich Zwillinge mit der Flasche großgezogen; ja, gnäd'ge Frau, das versteh ich, da drin bin ich wie zu Hause.«
    »Nun, wissen Sie was, Roswitha, Sie sind eine gute, treue Person, das seh ich Ihnen an, ein bißchen gradezu, aber das schadet nichts, das sind mitunter die Besten, und ich habe gleich ein Zutrauen zu Ihnen gefaßt. Wollen Sie mit zu mir kommen? Mir ist, als hätte Gott Sie mir geschickt. Ich erwarte nun bald ein Kleines, Gott gebe mir seine Hülfe dazu, und wenn das Kind da ist, dann muß es gepflegt und abgewartet werden und vielleicht auch gepäppelt. Man kann das ja nicht wissen, wiewohl ich es anders wünsche. Was

Weitere Kostenlose Bücher