Ein Ballnachtstraum
ballte die Hände zu riesigen bedrohlichen Fäusten. „Ich schulde Ihnen einen Gefallen.“
Drake wandte sich ihm zu. „Dummerweise handelt es sich um meinen Bruder. Sonst wäre ich geneigt, Ihr Angebot anzunehmen.“
„Mist“, meinte Albert und kam wieder auf die Füße. „Familie. Lauter Nervensägen. Soll ich Sie mit ihm alleine lassen?“
„Ja.“
Kurz darauf sprang Devon vom Kutschbock auf die Straße. Zwei junge Mädchen, die an der Ecke Lavendelsträuße feilboten, beobachteten die beiden gut aussehenden Lords, die überall für ihren männlichen Charme und ihre Großzügigkeit bekannt waren. Drake achtete nicht auf sie, während Devon den Blumenmädchen ein breites Lächeln schenkte und den Hut lüftete, worauf sie kichernd und errötend die Köpfe zusammensteckten.
Das Lächeln verging ihm allerdings rasch, als er Drakes finstere Miene bemerkte. „Grayson schickt mich, um mich zu vergewissern, dass es dir gut geht.“
„Wieso zum Teufel soll es mir nicht gut gehen?“, fragte er mürrisch.
„Nun ja“, entgegnete Devon in seiner liebenswürdigen Art. „Zum einen hockst du vor deinem Haus auf einer kalten Steinstufe, was ich noch nie erlebt habe, zumindest nicht, wenn du nüchtern bist. Was ist los mit dir?“
„Was soll denn los sein? Alles ist in Ordnung.“
Abgesehen von der Tatsache, dass merkwürdige Verstrickungen in der Vergangenheit ihm die Rolle eines Mannes zugewiesen hatten, der Eloises und Mildreds Zorn ausgesetzt war. Und wer konnte schon ahnen, zu welch bösen Streichen Mildred alias Maribella St. Ives seine süße Eloise in diesem Augenblick zu überreden versuchte? Es sollte ihn nicht wundern, wenn er sich plötzlich nackt auf einen Gemüsekarren gefesselt mit einem Schild um den Hals wiederfinden würde.
Devon nahm neben ihm Platz. „Ich muss dir etwas beichten. Heath und ich haben dir und deinem Liebchen nachspioniert.“
Drake presste die Lippen zu einem schmalen Strich aufeinander. Wieso hatte er bei Devons Anblick sofort gewusst, dass er ihm diesen Tag noch mehr vergällen würde? Offenbar war Devon nicht davon unterrichtet, dass Heath sich Drake bereits anvertraut hatte, und nun plagte ihn das schlechte Gewissen. Immerhin war die schändliche Idee, ihm nachzuspionieren, von Devon ausgegangen, und Drake hatte nicht die Absicht, ihn so ohne Weiteres davonkommen zu lassen. „Wie bitte? Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstanden habe. Sagtest du gerade, du hast mir und Eloise nachspioniert?“
„Nur in bester Absicht und um dir einen Gefallen damit zu tun.“ Devon rückte bei Drakes wütendem Blick ein wenig ab. „Grayson wollte verhindern, dass du hintergangen wirst.“
„Herrgott noch mal!“ Drake klang überzeugend entrüstet. „Ihr habt mich bespitzelt? Ich hatte es befürchtet.“
Devon rutschte eine Stufe tiefer. „Du solltest uns dankbar sein. Ich habe nämlich einiges über Eloise herausgefunden.“
„Ach, tatsächlich?“
„Ja, und ich finde, du sollst es erfahren. Glaube mir, ohne guten Grund hätte ich dir niemals hinterhergeschnüffelt.“
Drake schwieg finster brütend. Einen Brudermord in aller Öffentlichkeit zu begehen, würde vermutlich nicht ohne Konsequenzen bleiben. Bespitzelung? Spionage? Während des Krieges hatten Heath und Drake gelegentlich Aufträge für den Britischen Geheimdienst übernommen. Aber keiner von ihnen wusste, ob Devon während seines Militärdienstes bei der Kavallerie ähnliche Aufgaben übertragen worden waren, da der jüngere Bruder einem anderen Regiment angehört hatte. Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, dass der leichtsinnige Bursche mit Spionage zu tun hatte. Noch dazu, wenn es darum ging, den eigenen Bruder zu bespitzeln.
„Willst du denn nicht wissen, was ich herausgefunden habe?“, fragte Devon mit Unschuldsmiene.
Drakes Gesichtszüge verfinsterten sich nur noch mehr. „Falls du mir sagen willst, dass Eloise überlegte, eine Kurtisane zu werden, bevor sie Gouvernante wurde, so töte ich …“
„Eloise?“, fiel Devon ihm erschrocken ins Wort. „Du wärst imstande, eine Frau zu töten?“
„Nein“, entgegnete Drake zähneknirschend. „Ich bringe dich um.“
Devon lehnte deutlich erschüttert den Rücken gegen die verschnörkelte Balustrade aus Gusseisen. „Wieso denn mich?“
„Weil du der nächste Mensch bist, dem ich den Hals umdrehen kann. Und wenn ich herausfinde, dass Eloise sich mit dem Gedanken trug …“
„Eine Kurtisane zu werden“, half Devon ihm auf die
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