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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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augenblicklich beendete.
    »Sie wird Ihnen jemand schicken. Wie man so sagt, einen Todesengel.«
    »Wie? Soll ich jetzt glauben, die gute alte Frau Reti habe sich entschlossen, mir einen Killer …«
    »Eine Killerin. Sie schickt Ihnen eine Frau. Da paßt auch besser zu Frau Reti, sich auf eine Frau zu verlassen.«
    »Anschieben läßt sie sich aber von einem Araber, was ich so gehört habe.«
    »Mag sein«, meinte die Stimme, die einen merkbaren Klang von Langeweile besaß, »aber hier geht es nicht um einen Rollstuhl. Es geht darum, Herr Janota, daß diese Killerin auftauchen und Ihnen eine Kugel in Ihr Musikerköpfchen jagen wird. Wenn Sie nicht achtgeben.«
    »Das ist ein dummer Scherz, den Sie mit mir treiben.«
    »Es sind schon unwichtigere Leute erledigt worden. Jedenfalls wäre es besser, mir jetzt zu glauben. Und nicht erst, wenn Sie in den Lauf einer Waffe schauen. Beziehungsweise auf die Frau, die dahinter steht.«
    »Wie schrecklich!« spottete Janota.
    »Sie wären nicht der erste, der sich wundert. Bloß hätten Sie dann kaum noch die Zeit, sich auch ausgiebig zu wundern.«
    »Wer ist diese ominöse Frau?«
    »Sie ist nicht ominös. Selten war jemand weniger ominös. Ihr Name aber würde Ihnen so wenig nützen, als wenn ich Ihnen den meinen nenne. Namen sind nicht das Thema.«
    »Und was soll ich Ihrer Meinung nach unternehmen?« fragte Janota. »Auswandern? Eine kugelsichere Weste tragen?«
    »Diese Frau ist nicht so dumm, auf eine kugelsichere Weste zu schießen. Auswandern hingegen wäre nicht schlecht. Aber nur sinnvoll, wenn Sie es auf der Stelle tun würden.«
    »Ich habe heute ein Konzert.«
    »Ich weiß. Besitzen Sie eine Waffe?«
    »Ja.«
    »Seien Sie so klug und nehmen Sie sie mit.«
    »Wie denn? Soll es heute abend geschehen?«
    »Könnte gut sein«, meinte die Stimme.
    »Wissen Sie was?« tönte Janota. »Ich glaube Ihnen einfach nicht. Ich glaube vielmehr, daß Sie ein Irrer sind, der sich hier aufspielt.«
    »Ein Irrer, der Mascha Reti kennt«, sagte die Stimme und legte auf.
    Ja, das war natürlich ein Argument.
     
    Apostolo Janota rasierte sich zu Ende. Er zitterte. Das war neu für ihn, zu zittern. Es war allerdings auch neu für ihn, sich ein Bild davon zu machen, erschossen zu werden.
    Was sollte er tun?
    Die Vorstellung, tatsächlich mit dem Tod bedroht zu sein, weckte ihn ihm zweierlei Gefühle. Einerseits dachte er daran, daß dann seine ganze Bemühung, an dieses Haus heranzukommen, um Zeitlöcher aufzustöbern, umsonst gewesen wäre, und er also nie wieder zurückkehren würde zu seinem richtigen Leben. Dorthin, wo seine Gegenwart lag. Und seiner Meinung nach die Gegenwart alles Lebendigen. Andererseits ergab sich die Überlegung, es könne vielleicht gerade der eigene Tod geeignet sein, ein Zeitloch aufzustoßen. Und zwar gemäß der speziellen Mutmaßung, daß diese ganze Zeitreiserei auf der Sterblichkeit des Menschen basiere, gewissermaßen eine Nebenform des Todes darstelle, ein Ausweichen vor Gott.
    Gut, das war eine bloße Theorie, eine unwissenschaftliche dazu. Auch hätte dies ja bedeutet, daß Janota, als er vor zehn Jahren in ein Zeitloch gefallen war, zuvor in irgendeiner Form zu Tode gekommen sein mußte. Um sodann einen großen Bogen um das Leben nach dem Tod zu machen. Was nun wiederum zu der Frage führte, in welchem Zustand Apostolo Janota heimkehren würde. Als Leiche? Als doppelte Leiche? Oder als Lebender, weil ein zweifacher Tod sich aufhob?
    Das waren eine Menge verwirrender Gedanken, die Janota durch sein bedrohtes Musikerköpfchen gingen, während er in sein Hemd und sein Jackett schlüpfte und sich hellgelbe Turnschuhe anzog. Socken trug er keine. Das tat er nie, auch im härtesten Winter nicht. Das war sein Markenzeichen. Wenn er bei Fernsehdiskussionen – und man lud ihn gerne ein, wenn es annähernd um Musik oder Film ging – ein Bein über das andere schlug, wurde sein Markenzeichen sichtbar wie … Nun, es gab ein paar unanständige Leute, die von einer Art Vorhaut sprachen, die da zutage träte.
    Egal, Janota blieb auch jetzt seinem Prinzip sockenloser Füße treu. Weniger treu blieb er seiner Anschauung, daß das Tragen von Waffen sich selten als ein Vorteil herausstellte. Waffen waren ungeeignet, irgend jemand von irgend etwas zu überzeugen oder abzubringen. Eher zwangen sie zu übereiltem Handeln. Kam eine Waffe ins Spiel, brach Hektik aus. So war das im Kleinen wie im Großen. Waffen erwiesen sich so gut wie immer als Beschleuniger.
    Dennoch

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