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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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die Katzen kümmern zu wollen, und dringen dann in die Wohnung ein, in der früher die Kremser gewohnt hat.«
    »Und die nun Ihre Wohnung ist.«
    »Ich habe mich an die Dussek rangemacht. Das kann ich, glauben Sie mir.«
    »Glaube ich Ihnen«, sagte Cheng, gegen seinen Willen leicht angewidert. Seinen Willen zur Toleranz.
    »Sie hat mir die Wohnung vermittelt«, erklärte Pavor, »mit allem, was drin stand. Gab ja keine Erben. Gott sei Dank. Bloß habe ich nichts gefunden. Alles auf den Kopf gestellt, aber nichts gefunden.«
    »Hören Sie«, sagte Cheng, »machen wir einen Deal …«
    »In Ihrer Position?«
    »Trotzdem. Sagen Sie mir, was auf dem Zettel steht, und ich sage Ihnen, wo er sich vermutlich befindet.«
    »Was soll der Unfug? Sie wissen doch ganz gut, daß es um eine Formel geht. Oder etwas in der Art einer Formel.«
    »Eine Formel wovon?«
    »Soll ich wirklich glauben, Sie hätten keine Ahnung?«
    »So ist es«, bestätigte Cheng.
    Pavor zögerte. Er schien unsicher. Er sagte: »Also, die Frau, für die ich arbeite …«
    »Welche Frau?«
    »Wenn das für Sie ein Geheimnis ist, werde ich daran nichts ändern.«
    »Na gut. Ich gehe zum Start zurück: Eine Formel wovon?«
    »4711. Die Formel von 4711.«
    »Siebenundvierzig! Elf!« wiederholte Cheng und stöhnte.
    »Hören Sie auf zu stöhnen«, sagte Pavor streng. Streng und ein bißchen verzweifelt. »Verraten Sie mir lieber, wer Sie geschickt hat.«
    Cheng fing sich rasch. Denn für etwas anderes, als rasch zu sein, fehlte wohl die Zeit. Cheng erklärte – eine Täuschung versuchend –, daß er möglicherweise von derselben Person beauftragt worden sei, die auch ihn, Pavor, engagiert habe. Und es somit völlig unnötig sei, den Strick um seinen Hals zu belassen.
    »Das glaube ich nicht«, meinte Pavor.
    »Was glauben Sie nicht?«
    »Daß wir für dieselbe Person arbeiten. Aber das ist nicht einmal wichtig. Wichtig ist, daß Sie mir etwas geben müssen, was mich überzeugen könnte, Sie am Leben zu lassen.«
    »Wie? Sie denken ernsthaft, mich zu töten? Sie, ein Mann, dem das Schicksal von Hühnereiern zusetzt?«
    »Es setzt mir nicht zu, sondern verursacht mir Übelkeit. Außerdem: Einen Tisch beiseite zu schieben, das ist einfacher, als vier Eier in die Pfanne zu schlagen. Einfacher und weniger unappetitlich.«
    »Wenn ich jetzt rede, werden Sie mich erst recht … hängen lassen.«
    »Sie werden es herausfinden. So oder so. Vergessen Sie nicht. Es würde kaum jemand verwundern, daß sich ein kleiner Detektiv ausgerechnet in dem Haus erhängt, in dem er früher wohnte und in dem auch seine Nachbarin Selbstmord beging. Ein Stall von Depressiven. Typisch.«
    »Aber nicht typisch für einen Einarmigen. Ich meine, sich zu erhängen.«
    »Gerade den Invaliden«, sagte Pavor, »traut man doch alles mögliche zu. Vor allem Dinge, für die man eigentlich zwei Hände bräuchte. Oder drei Hände. Einem Einarmigen wird viel eher ein dreiarmiges Kunststück abgenommen. Das können Sie mir glauben.«
    Großer Gott, wie recht dieser Mann hatte!
    Wenn Cheng jetzt irgendeinen Gegenstand oder Ort der Kremserschen Wohnung als angebliches Versteck benannte, dann war nicht viel gewonnen, da Pavor alle diese Gegenstände und Orte wohl schon mehrmals überprüft hatte. Sicher auch den Keller und den Dachboden. Eine andere Wohnung wiederum zu nennen, hätte Unbeteiligte in Gefahr gebracht. Und in einer Welt, in der die Unbeteiligten vorzugsweise im Zentrum so gut wie jeder Bombe standen, war es eigentlich nett, ausnahmsweise auf die Unbeteiligten zu verzichten.
    »Der Zettel ist nicht im Haus«, sagte Cheng.
    »Er ist im Haus. Hören Sie auf, zu bluffen. Ein Bluff noch und Sie sterben.«
    »Kein Bluff rettet mich auch nicht«, stellte Cheng fest.
    »Nur die Wahrheit«, bestimmte Pavor. »Vielleicht. Vorausgesetzt, mir gefällt die Wahrheit.«
    »Die Katzen«, sagte Cheng.
    »Was ist mit den Katzen?«
    »Die Katzen haben den Zettel, den Sie suchen.«
    »Wie meinen Sie das? … Ach, kommen Sie mir nicht damit, mit diesen Hülsen, die an den Halsbändern hängen. Da stehen keine Formeln drauf, nur ihre Namen, und daß sie geimpft sind, und die Adresse.«
    »Als hätten die je gewagt, aus dem Haus zu gehen«, erinnerte sich Cheng und fragte: »Wieso eigentlich hat ausgerechnet Frau Dussek die Tiere zu sich genommen?«
    »Die Dussek hatte schon immer einen Haß auf die Kremser. Und jetzt war die Kremser plötzlich tot und der Haß ohne eigentliches Ziel. Also die Katzen. Aber

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