Ein Feuer Auf Der Tiefe
nicht, ob sie Angst haben sollte oder nicht. Krankheiten waren im Mittelalter eine alltägliche Angelegenheit. Eben, und eine Menge Leute sind daran auch gestorben! Sie schnäuzte sich und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was Holzschnitzerin gerade sagte.
»Scrupilo hat schon etwas Schießpulver hergestellt. Es funktioniert genauso, wie es das Datio vorausgesagt hat. Leider hätte er beinahe ein Glied bei dem Versuch verloren, es in einer Holzkanone zu verwenden. Wenn wir keine Geschütze machen können, dann fürchte ich…«
Vor einer Woche wäre Holzschnitzerin hier nicht willkommen gewesen; alle ihre Treffen hatten unten in den Sälen der Burg stattgefunden. Doch dann war Johanna krank geworden – es war eine Erkältung, kein Zweifel – und hatte keine Lust gehabt, draußen herumzulaufen. Außerdem hatte Schreibers Besuch sie in gewisser Weise… beschämt. Manche von den Rudeln waren anständig genug. Sie hatte beschlossen, möglichst mit Holzschnitzerin auszukommen – und mit dem Aufgeblasenen Clown auch, falls er jemals wieder vorbeikommen sollte. Solange Kreaturen wie Narbenhintern ihr aus dem Weg blieben… Johanna lehnte sich ein bisschen näher ans Feuer und wischte Holzschnitzerins Einwände weg; manchmal kam ihr dieses Rudel wie ihre älteste Großmutter vor. »Geh davon aus, dass wir welche bauen können. Wir haben eine Menge Zeit bis zum Sommer. Sag Scrupilo, er soll das Datio sorgfältiger studieren und aufhören, nach Abkürzungen zu suchen. Die Frage ist, wie man sie verwenden kann, um mein Sternenschiff zurückzugewinnen.«
Holzschnitzerins Mienen hellten sich auf. Der Sabberer hörte auf, sein Maul abzuwischen, um sich am Wippen der anderen Köpfe zu beteiligen. »Ich habe darüber mit Wand… mit verschiedenen Leuten gesprochen, vor allem mit Feilonius. Normalerweise wäre es schrecklich schwierig, eine Armee zur Verborgenen Insel zu bringen. Zur See geht es schnell, aber unterwegs gibt es ein paar tödliche Engen. Durch den Wald dauert es lange, und die andere Seite würde reichlich Warnungen erhalten. Aber zum großen Glück hat Feilonius etliche sichere Routen gefunden. Möglicherweise schleichen wir uns also…«
Jemand kratzte an der Tür.
Holzschnitzerin hob ein Paar Köpfe. »Das ist seltsam«, sagte sie.
»Wieso?«, fragte Johanna abwesend. Sie raffte die gefütterte Decke um die Schultern und stand auf. Zwei von Holzschnitzerin gingen mit ihr zur Tür.
Johanna öffnete und schaute in den Nebel hinaus. Plötzlich sprach Holzschnitzerin laut, lauter Kollern. Ihr Besucher hatte sich zurückgezogen. Etwas war wirklich seltsam, und im Moment konnte sie nicht ausmachen, was. Es war das erste Mal, dass sie ein Hundewesen ganz allein sah. Sie war sich der Bedeutung noch nicht ganz bewusst, als die meisten von Holzschnitzerin an ihr vorbei aus der Tür stürzten. Dann begann Johannas Diener oben auf dem Boden zu schreien. Der Klang trieb Schmerz durch Johannas Ohren.
Das einzelne Klauenwesen wand sich unbeholfen auf seinem Hinterteil und versuchte sich davonzuschleppen, doch Holzschnitzerin hatte es umzingelt. Sie rief etwas, und das Kreischen auf dem Boden hörte auf. Man hörte Pfoten über Holzstufen springen, und der Diener sprang ins Freie, seine Armbrüste schussbereit. Von weiter unten am Hang hörte sie Waffengeklirr, als Wachen zu ihnen eilten.
Johanna lief zu Holzschnitzerin, bereit, mit den Fäusten zu jeder notwendigen Verteidigung beizutragen. Doch das Rudel beschnüffelte den Fremdling und leckte seinen Hals. Einen Augenblick später packte Holzschnitzerin das Klauenwesen an der Jacke. »Hilf mir ihn hineintragen, bitte, Johanna.«
Das Mädchen hob die Flanken des Klauenwesens an. Das Fell war feucht vom Nebel – und klebrig von Blut.
Dann waren sie durch die Tür und legten das Glied auf ein Kissen am Feuer. Das Geschöpf stieß jenes tiefe Pfeifen aus, das äußersten Schmerz bedeutete. Es blickte zu ihr auf, die Augen so weit, dass sie ringsherum das Weiße sehen konnte. Einen Moment lang glaubte sie, es sei ihretwegen entsetzt, doch als sie zurücktrat, machte es den Ton nur noch lauter und streckte den Hals zu ihr hin. Sie kniete sich neben das Kissen. Das Wesen legte die Schnauze auf ihre Hand.
»W-was ist das?« Sie blickte an seinem Körper entlang, hinter die gepolsterte Jacke. Die Hüften waren in sonderbarem Winkel verdreht, ein Bein hing nahe am Feuer herab.
»Siehst du denn nicht…«, begann Holzschnitzerin. »Das ist ein Teil von
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