Ein Feuer Auf Der Tiefe
ist nicht der Einzige, der vor uns Skrodfahrern Angst hat. Blaustiel fürchtet sich ebenfalls, und es zerreißt ihn. Er kann es nicht einmal mir eingestehen, doch er glaubt, dass wir möglicherweise unabhängig von unseren Skrods infiziert sind. Er wünscht sich verzweifelt, Pham vom Gegenteil zu überzeugen – und damit auch sich selbst.« Sie schwieg einen Moment lang, und einer ihrer Wedel strich über Ravnas Arm. Meeresgeräusche umgaben sie in der Kabine, doch die Schiffsautomatik konnte keine Wasserbrandung mehr erzeugen. »Tja. Wir müssen so tun, als ob hier eine Brandung wäre, liebe Ravna. Irgendwo wird es immer eine geben, egal, was mit Sjandra Kei geschehen ist, egal, was hier geschieht.«
Bei seiner Partnerin war Blaustiel sanft und herzlich, doch wenn er mit Ravna allein war, schimmerte sein Zorn durch: »Nein, nein, ich habe nichts gegen Herrn Phams Schiffsführung einzuwenden, zumindest jetzt nicht. Vielleicht könnten wir etwas weiter vorn liegen, wenn ich direkt das Steuer führen würde, aber die schnellsten Schiffe hinter uns würden trotzdem aufholen. Es sind die anderen Dinge, meine Dame. Sie wissen, wie unzuverlässig unsere Automatik hier unten ist. Pham fügt ihr noch mehr Schaden zu. Er hat die Sicherheitsroutinen mit seinen eigenen Programmen überschrieben. Er verwandelt die Lebenserhaltungs-Automatik des Schiffes in ein System von Fallen.«
Ravna hatte Anzeichen dafür bemerkt. Die Bereiche rings um das Steuerdeck der ADR und die Schiffswerkstatt ähnelten militärischen Kontrollpunkten. »Du kennst seine Ängste. Wenn das dazu beiträgt, dass er sich sicherer fühlt…«
»Darum geht es nicht, meine Dame. Ich würde alles tun, um ihn zu bewegen, meine Hilfe anzunehmen. Aber was er tut, ist von tödlicher Gefahr. Unsere Automatik für den Grund ist unzuverlässig, und er verschlechtert sie noch gezielt. Wenn wir plötzlich in eine angespannte Lage geraten, werden die Lebenserhaltungsprogramme wahrscheinlich chaotisch zusammenbrechen – Druckabfall, Störung des thermischen Gleichgewichts, alles Mögliche.«
»Ich…«
»Begreift er denn nicht? Pham hat gar nichts unter Kontrolle.« Seine Voderstimme glitt in ein nichtlineares Quieken ab. »Er kann zerstören, aber weiter nichts. Er braucht meine Hilfe. Er war mein Freund. Begreift er denn nicht?«
Pham begriff… o ja, Pham begriff. Er und Ravna sprachen noch miteinander. Ihre Streitgespräche waren das Schwerste in ihrem Leben. Und manchmal stritten sie sich nicht eigentlich; manchmal glich es fast einer vernünftigen Diskussion:
»Ich bin nicht übernommen worden, Ravna. Jedenfalls nicht so, wie die PEST Skrodfahrer übernimmt. Ich bin noch Herr meiner Seele.« Er wandte sich vom Pult ab und ließ ein mattes Lächeln zu ihr herüber huschen, das die Schwachstellen in derlei eigenen Überzeugungen eingestand. Und Dinge wie dieses Lächeln waren es, die Ravna überzeugten, dass Pham Nuwen noch lebte und manchmal sprach.
»Was ist mit dem Gottsplitter-Zustand? Ich sehe, wie du stundenlang einfach nur den Spurenschirm anstarrst oder in der Bibliothek und in den Nachrichten herumkramst« – wobei er schneller die Texte überflog, als jeder Mensch zu lesen vermochte.
Pham zuckte die Achseln. »Es studiert die Schiffe, die uns verfolgen, und versucht herauszufinden, was zu wem gehört, welche Fähigkeiten jedes einzelne haben könnte. Ich weiß keine Einzelheiten. Mein eigenes Bewusstsein hat dann Urlaub« – wenn Phams ganzer Verstand in einen Prozessor für die unbekannten Programme verwandelt war, die der ALTE eingespeist hatte. Etliche Stunden dieses Zustands mochten einem Augenblick des Denkens auf dem Niveau einer MACHT entsprechen – und selbst daran konnte er sich nicht bewusst erinnern. »Aber eins weiß ich. Was immer die Gottsplitter sind, sie sind sehr eng begrenzt. Sie leben nicht, in mancher Hinsicht sind sie vielleicht nicht einmal besonders klug. Für alltägliche Dinge wie die Führung eines Schiffs gibt es einfach den guten alten Pham Nuwen.«
»… und uns andere, Pham. Blaustiel würde gern helfen«, sagte Ravna leise. An diesem Punkt verfiel Pham für gewöhnlich in eisiges Schweigen – oder hatte einen Wutausbruch. Diesmal streckte er nur den Kopf vor. »Ravna, Ravna. Ich weiß, dass ich ihn brauche… Und ich bin froh darüber. Dass ich ihn nicht töten muss.« Vorläufig. Phams Lippen zuckten kurz, und sie glaubte, er begänne womöglich zu weinen.
»Die Gottsplitter können Blaustiel nicht
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