Ein gefährlicher Plan
Spielraum, Jack. Lass mich los."
Ohne auf seine Antwort zu warten, tauchte sie ihr Paddel ins Wasser und stieß sich von seinem Kajak ab. Adrenalin schoss ihr heiß durch die Adern. Das Herz hämmerte ihr in der Brust. Ihr Puls raste.
Alyssa würde es genauso machen.
Und im Moment, rief sie sich in Erinnerung, bin ich Alyssa.
10. KAPITEL
Fluchend folgte Jack Brooke in den Seitenarm. Ebenso wie ihre Schwester zog sie Ärger an wie ein Magnet. Er sollte sie nach Hause schicken, ehe sie wirklich in Situationen geriet, die sie nicht mehr im Griff hatte.
Gleichzeitig wusste er, er konnte es nicht. Nicht, wenn ihre Anwesenheit ihm die Chance bot, den Verdächtigen dingfest zu machen. Er wollte sein Versprechen Alyssa gegenüber halten.
Dennoch fiel es ihm von Tag zu Tag schwerer, innerlich den notwendige n Abstand zu Brooke zu wahren. Er brauchte dringend einen Hinweis, einen Fehler des Täters, damit er weiterkam in diesem Fall. Bislang hatte sich keine Spur gefunden. Er wartete auf den Laborbericht über das Seil. Auch von der Untersuchung des Gedichts fehlten noch die Ergebnisse.
Und bis dahin musste jemand Brooke vor sich selbst beschützen.
Aus dem Augenwinkel sah Jack, dass Cullen seinen Wagen vom Anleger zurücksetzte, aber statt links in die Stadt abzubiegen, in Richtung Landstraße steuerte. Und zwar erstaunlich langsam für einen Mann, der eine beeindruckende Knöllchen-Sammlung wegen Geschwindigkeitsübertretungen vorweisen konnte.
Hatte Brooke Recht mit ihrem Verdacht gegen Cullen? War es womöglich Eifersucht gewesen, die ihn dazu getrieben hatte, diesen Anschlag auf sie zu verüben, der sie das Leben kosten sollte? Aber andererseits erforderte ein solches Verbrechen Planung und Geduld –
beides nicht Cullens Stärken.
„Paddel langsamer", rief er Brooke zu und seufzte frustriert.
Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Willst du sonst etwa wieder mein Boot festhalten?"
„Nein." Er holte sie ein und glitt neben ihr her. „Bist du immer so dickköpfig?"
Sie lächelte ihn an, und dieses bezaubernde Lächeln durchdrang wieder einmal seine Schutzmauern, erfüllte ihn mit wundervoller Wärme.
„Um ehrlich zu sein, ich lerne es gerade."
„Na, großartig." Hätte sie sich nicht jemand anders aussuchen können, ihre neue Unabhängigkeit zu erproben? Als das letzte Mal eine der Snowden-Schwestern ihre Autonomie beweisen wollte, war sie im Koma geendet. Das musste er nicht noch einmal haben.
Um den Strudeln auszuweichen, die der vom Berg herabstürzende Wasserfall verursachte, lenkte Jack sein Boot weitläufig darum herum. Cullen blieb auf Abstand, schien zu glauben, dass er durch die Büsche am Straßenrand nicht gesehen werden konnte. Hielt er ihn etwa für blöd? Er musste sich doch denken können, dass er bemerkt werden würde.
Als sie um die Biegung glitten, in die relativ ruhige Bucht, erhob sich Devil's Grin vor ihnen in seiner ganzen Erhabenheit. Der gebogene Felsgrat in der Mitte hatte der rund fünfundvierzig Meter hohen Wand ihren Namen gegeben. Die durch Wind und Wetter geschaffene Felslippe schien wahrhaftig warnend zu grinsen. Spalten, Risse und Erhebungen auf dem dunklen Granit ließen den Eindruck entstehen, ein pockennarbiges, böses Gesicht schaue auf den Betrachter herab.
Aber trotz seines bedrohlichen Aussehens war der Devil's Grin ein leichter Aufstieg –
besonders für ihn und die anderen fünf, die sie seit High-School- Zeiten in den Bergen New Hampshires zusammen zu klettern pflegten.
Der einzige Unterschied zwischen jenem Tag und all den anderen war der, dass einer der Freunde Böses im Sinn gehabt hatte. Einen Mord.
„Ist er das?" fragte Brooke und starrte den Felsen voller Ehrfurcht an. „Devil's Grin?"
„Das ist er." Ein kalter Schauer fuhr ihm über den Rücken.
„Wo?"
Jack musste nicht fragen, was sie meinte. „Genau unterhalb der Felslippe." Er deutete mit schiefem Lächeln auf die Stelle. „Es war ein Übungsklettern für eine Gruppe von Geschäftsleuten, die das darauf folgende Wochenende kommen wollten. Alyssa sollte bis zur Lippe klettern und sich dann fallen lassen, um den Kunden zu zeigen, wie sie ihre Arme und Beine im Fall eines Absturzes zu halten hätten."
„Aber so hoch kam sie gar nicht erst?"
Er schüttelte den Kopf. „Das Seil hakte sich fest. Beim Versuch, es freizubekommen, verlor sie das Gleichgewicht. Sie schlug mit dem Kopf gegen den Felsen."
„Du bist hinaufgestiegen, um sie zu bergen."
„Ja." Er hatte die
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