Ein König für Deutschland
und nach Philadelphia zurück und wie er endlich herausgefunden hatte, wer sein Vater war.
Die Sache mit den geknackten Tagebüchern schien sie zu faszinieren. »Wie denken Sie heute darüber? War das in Ordnung, an die privaten Aufzeichnungen Ihrer Mutter zu gehen?«
Vincent hob die Schultern. »Ich weiß nicht. Ich wollte eben wissen, wer mein Vater ist. Und sie wollte es mir nicht sagen.«
»Sie wirken, als seien Sie heute noch stolz darauf, die Schlösser geknackt zu haben.«
Vincent dachte nach, rief sich diesen ewig lange zurückliegenden Nachmittag ins Gedächtnis zurück und musste auflachen, musste zum ersten Mal, seit er das Gefängnis betreten hatte, wieder lachen. »Ja«, gab er zu. »Stimmt. Ich finde immer noch, dass ich das ziemlich clever gemacht habe.«
67 Burkhard I. von Zollern, gestorben 1061, gilt als erster Hohenzollernfürst.
68 http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Friedrich_Prinz_von_Preußen
KAPITEL 31
M it der geglückten Parteigründung war »die Falle gestellt«, wie sich Alex beim Abschied ausgedrückt hatte, und weiter gab es erst einmal nichts zu tun. Alles Weitere würde von selbst passieren.
So kehrte nach und nach der Alltag zurück. Simon hielt seinen Unterricht ab wie eh und je, ärgerte sich mit Schülern herum, die es seiner Meinung nach besser hätten machen können, aber aus irgendwelchen Gründen nicht wollten, und mit Eltern, auf die im Grunde das Gleiche zutraf. Es galt Prüfungsfragen zu ersinnen, die zugehörigen Arbeiten zu korrigieren und die gefundenen Noten zu verteidigen. Einmal geschah es, dass Alex anrief und ihn fragte, ob er in letzter Zeit etwas von Sirona gehört habe; sie sei gerade schwierig zu erreichen. Simon musste verneinen, was Alex mit einiger Enttäuschung zur Kenntnis nahm. Danach hörte er nichts mehr in dieser Angelegenheit und dachte auch nicht weiter daran.
Das Jahr verging. Nach dem aufregendsten Wahlkampf, den Amerika je erlebt und die Welt mit noch nie da gewesener Anteilnahme verfolgt hatte, wurde Barack Obama zum neuen Präsidenten der USA gewählt; gleichzeitig brach etwas aus, das erst Banken-, dann Finanzkrise genannt wurde und über das plötzlich jeder redete, ohne etwas davon zu verstehen. Rätselhafterweise fanden sich plötzlich Milliarden und Abermilliarden, um Banken vor dem Kollaps zu retten – bloß für die Reparatur des Daches von Simons Schule reichte es immer noch nicht, das blieb weiter undicht.
Der einzige Anlass für Simon, bisweilen an die aufregenden Wochen zu Jahresbeginn zu denken, war, dass Vincent anfing, ihm regelmäßig zu schreiben.
Die ersten Briefe fielen kurz aus, beschrieben seinen Alltag im Gefängnis und lasen sich, als ob es Vincent im Großen und Ganzen gut gehe. Sie waren auf eine Weise formuliert, die es schwierig machte, darauf zu antworten, aber Simon gab sich redlich Mühe, den neu entstandenen Kontakt nicht abreißen zu lassen. Schließlich hatte er ebenfalls einen Alltag, von dem er berichten konnte. Und gut ging es ihm im Großen und Ganzen auch.
Nach und nach ließ Vincent durchblicken, dass er zu Anfang seiner Haftstrafe eine Art seelischen Zusammenbruch erlitten hatte und nun bei einer Psychologin in Behandlung war und dass sie es war, die ihm geraten hatte, die Briefe zu schreiben. Das veränderte den Tonfall ihres Briefwechsels – und verlängerte die Zeit, die Simon mit dem Abfassen seiner Antworten zubrachte. Ganze Abende saß er am Schreibtisch, sinnierend, sich erinnernd, nach den ihm richtig dünkenden Formulierungen suchend. Was er auszudrücken versuchte, war, dass er die kurze Affäre mit Vincents Mutter – seinen Seitensprung, denn immerhin war er damals bereits zwei Jahre mit Helene verheiratet gewesen – lange Zeit als großen Fehler betrachtet hatte, als ein Versagen, das er einst am liebsten korrigiert hätte, hätte die Möglichkeit dazu bestanden, dass er heute jedoch froh sei, dass derlei unmöglich war, denn nun habe er wenigstens einen Sohn, selbst wenn die Umstände nicht ideal gewesen seien, und dass er im Rückblick vor allem bedauere, keine gemeinsame Geschichte mit ihm zu haben. Lila hatte damals sogar abgelehnt, Geld von ihm anzunehmen, hatte die Schecks, die Simon dennoch geschickt hatte, nie eingelöst und war irgendwann umgezogen, ohne ihn ihre neue Anschrift wissen zu lassen, sodass der Kontakt wieder abgerissen war, bis Vincent ihm erneut geschrieben hatte, aber erst während seiner Collegezeit.
Wie sollte man das Versäumte nachholen, wiedergutmachen
Weitere Kostenlose Bücher