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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er mit vibrierender Stimme. »Komm her und sieh dir das an. Habe ich vor einer Stunde fotografiert. Weißt du, was das ist?«
    Abukow trat an die erleuchtete Mattscheibe heran und sah auf das Röntgenbild. »Es müssen die Lungenflügel sein«, meinte er zögernd.
    »Sie sind es.« Dshuban tippte mit dem Zeigefinger auf ein paar dunklere Schatten in der Lunge und legte seinen linken Arm um die Hüfte Abukows. Mit aufsteigendem Widerwillen spürte Abukow, wie der Arm leicht zitterte. Er machte sich steif und abwehrbereit. »Da sitzt es!« sagte Dshuban wohlgefällig, als habe er eine grandiose Entdeckung gemacht.
    »Was?« fragte Abukow. Dshubans Arm begann seine Hüfte zu drücken.
    »Das Karzinom! Lungenkrebs hat der Bursche. Hustet seit einem halben Jahr und ist jedesmal, wenn er sich krank meldete, als Simulant in die Wälder zu den Fällerbrigaden gejagt worden. Wer ahnt denn so was? Nur weil er jetzt Blut spuckte, habe ich ihn geröntgt. Welch ein Krebs! Die ganze Lunge übersät …«
    »Und was wird nun aus ihm?«
    »Nichts. Das kann ich nicht operieren. Wie soll ich hier eine Lobektomie machen?«
    »Er wird also elend sterben?«
    Der Chirurg zuckte mit den Schultern. »Wir sind hilflos. Jedenfalls wird er nicht im Sumpf verrecken, sondern in einem weißbezogenen Bett sterben. Ohne Schmerzen, vollgepumpt mit Morphium. Viele werden ihn beneiden.«
    Owanessjan knipste das Licht hinter der Milchglasscheibe aus, nahm das Röntgenbild ab und warf es auf einen Tisch, der mit Papieren übersät war. Dabei ließ er den linken Arm um Abukows Hüfte.
    »Mein Lieber, haben wir jetzt ein wenig Zeit füreinander?« fragte er. Seine Stimme bebte dabei, als habe auch er Schwierigkeiten mit dem Atmen.
    »Nein«, sagte Abukow grausam nüchtern.
    »Nicht?« Dshuban sah ihn mit traurigen Hundeaugen an. »Victorenka … wir sollten gemeinsam ein schönes Abendessen zu uns nehmen, eine gute Flasche Wein trinken und uns näher kennenlernen. Das Leben hier ist so düster.«
    »Ich habe Ihnen aus Tjumen etwas mitgebracht, Dshuban Kasbekowitsch. Das wird Sie aufheitern. Wird heimlich verkauft, aber als ich es sah, dachte ich sofort an Sie.« Abukow griff in den Rock und legte das Homomagazin auf den Tisch. Owanessjan warf einen schnellen Blick auf das Titelfoto – es zeigte einen kräftigen jungen, muskulösen Mann in paradiesischer Schönheit –, stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ Abukow los.
    »An mich hast du dabei gedacht«, sagte er mit sichtbarem Glück. »O mein lieber Victor … Wann haben wir Zeit füreinander?«
    »Wir werden sehen. Würden Sie, Genosse Owanessjan, bereit sein, meiner neuen Gewerkschaft ›Theater Die Morgenröte‹ beizutreten?«
    »Die Morgenröte. Welch ein schöner Name!« Owanessjan starrte noch immer auf das Titelfoto des Magazins. »Wenn du es willst, mache ich mit …«
    »Es wäre uns eine große Hilfe, Dshuban Kasbekowitsch. Ihr Name als Mitglied der neuen Künstlergewerkschaft … es würde in Tjumen einen guten Eindruck machen.«
    »Besprechen wir das alles bei einem Weinchen!« rief Owanessjan. »Mein lieber, lieber Victor … wir werden uns wunderbar verstehen.«
    Wie eine Befreiung empfand es Abukow, als er das Zimmer des Arztes verlassen konnte. Draußen im Flur atmete er tief auf. Hinten, im Vorraum, sah er Professor Polewoi stehen, in einem weißen Kittel.
    Langsam ging er auf ihn zu und dachte daran, daß nun der letzte Besuch kommen mußte. Abwechselnd heiß und kalt wurde es ihm. Innere Abwehr empfand er und gleichzeitig erwartungsvolle Vorfreude, wenn er an Larissa dachte und an die Stunde, die er verfluchen sollte und die doch in seiner Erinnerung als etwas unbeschreiblich Schönes leuchtete. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er einen lockenden nackten Frauenkörper gesehen – nicht nur auf einem Bild, sondern wirklich und wahrhaftig.
    Polewoi faltete die Hände, verneigte sich demütig und wartete, bis Abukow das Kreuz geschlagen hatte.
    »Es ist alles so schrecklich«, sagte der Sträfling leise. »Wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen. Die Angst geht um, daß Larissa uns alle verrät.«
    »Hätte sie das gewollt, würdet ihr schon verhört sein und auf dem Weg nach Surgut. Oder Rassim hätte euch von den Hunden jagen lassen mit der Behauptung, eine Gruppe christlicher Revolutionäre habe einen Aufstand versucht. Aber nichts ist bisher geschehen.«
    »Gehst du jetzt zu ihr, Väterchen?«
    »Ja.«
    Polewoi legte die Hand auf seinen Arm: »Sei vorsichtig. Sie hat sich

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