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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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jeder Ton tat ihr weh wie ein Messerstich.
    Nelly hatte Recht behalten, das Glück hatte sich von Inqaba abgewendet, ein Schatten verdunkelte ihr Leben.
    *
    Jill brauchte nicht lange, um sich körperlich von der Fehlgeburt zu erholen, sie war jung und stark und verkraftete es schnell. Zaghaft nahm sie ihr Leben wieder auf, besuchte ihre Freundinnen, begann, den Garten zu entwerfen, von dem sie träumte, stellte die Vogelarten zusammen, auf die er zugeschnitten werden sollte, machte eine Liste der Pflanzen. Sie überlegte auch, ob sie nicht doch die Stellung beim Natal Parks Board annehmen sollte, schob die Entscheidung jedoch noch auf. Etwas beunruhigte sie seit Tommys Tod. »Unser Telefon hat ein merkwürdig hohles Echo, hast du das auch bemerkt?«, fragte sie Martin zwei Wochen nach der Beerdigung während des Abendessens. Ein Ausdruck huschte über sein Gesicht wie der Schatten einer Wolke. »So? Ist mir noch nicht aufgefallen«, antwortete er teilnahmslos, »ich werde die Telefongesellschaft anrufen. Mach dir keine Sorgen. Es ist nichts.« Er hatte sie nicht angesehen.
    Also hatte sie es sich wohl eingebildet. In den folgenden Tagen hörte sie es zwar immer noch, aber das konnte durchaus an den notorisch schlechten Leitungen hier auf dem Land liegen. So gewöhnte sie sich an das Echo, bald fiel es ihr nicht mehr auf, und sie vergaß, dass es ihr merkwürdig vorgekommen war.
    Nur gelegentlich wurde sie daran erinnert. Obwohl auf Inqaba eigentlich alles wuchs, was das Land an Gemüse und Obst zu bieten hatte, kaufte sie indische Gewürze auf dem Gemüsemarkt in Verulam, einem kleinen Ort, der ein paar Kilometer landeinwärts und etwa zwanzig Kilometer nördlich von Durban lag. Martin fuhr an diesem Tag mit, er hatte ihr vorgeschlagen, später Tee auf der Terrasse des Oyster-Box-Hotels einzunehmen. Unweit des Markts stiegen sie aus. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie einen Mann, der ihr bekannt vorkam. »Dreh dich mal unauffällig um, siehst du den Kerl, der sich eben den Schuh zubindet? Ich kenne ihn«, raunte sie, »seit Tommys Tod taucht er immer wieder in meiner Nähe auf. Was will der von mir?«
    Er warf dem Mann einen Blick zu. »Ach, das bildest du dir nur ein«, sagte er wegwerfend, schob sie vorwärts, weg von dem Mann mit den offenen Schnürsenkeln, in Richtung des Marktes.
    Vergeblich sträubte sie sich gegen seinen festen Griff. »Vielleicht beobachtet er die Farm und ist uns im Auto gefolgt?«
    Martins Grimasse war spöttisch, sein Ton gereizt. »Liebling, du bist überdreht, du hast ja auch viel durchgemacht in der letzten Zeit, aber glaube mir, du irrst dich. Vergiss es einfach und denk nicht wieder daran.« Er sprach zu ihr wie ein Vater, der zu seinem Kind spricht.
    Gleich sagt er, ich soll mir meinen hübschen Kopf nicht über Männersachen zerbrechen, dachte sie wütend. »Ich bin doch nicht blöd, ich weiß doch, was ich sehe!«, protestierte sie laut. »Ich geh jetzt hin und frag ihn, was er will …«
    Gerade da begegnete ihnen der indische Schneider, der für sie und ihre Mutter arbeitete. »Ich wünsche einen guten Morgen«, lächelte er, verneigte sich tief in einer asiatischen Verbeugung. Sie erwiderte sein Lächeln, wenn es auch eher zu einem Zähneblecken geriet. Von dem Mann, der seine Schuhe zugebunden hatte, war nun nichts mehr zu sehen.
    Das Echo im Telefon kam und ging. Das Gefühl von jemandem verfolgt zu werden, legte sich erst nach Monaten. Hatte die Polizei sie beschattet? Glaubten sie, dass die Familie etwas von Toms Aktivitäten gewusst hatte? Insbesondere sie, Jill, seine Schwester?
    »Warum sollten sie«, wiegelte Martin ab.
    »Die glauben doch von Berufs wegen an das Böse im Menschen, das hast du mir ja glasklar gemacht.« Ein eigensinniger Ton kroch in ihre Stimme. Warum wollte er nicht einmal darüber sprechen, nachdem er sie so eindringlich gewarnt hatte, diese Leute nicht zu unterschätzen?
    »Jilly, mein Liebling, hör auf, Gespenster zu sehen«, lachte er, nahm sie in Arm, küsste sie, bis sie vergaß, um was der Streit gegangen war, und alles war wieder gut.
    Für eine Zeit lang zumindest. Diese Angst, die sie jetzt manchmal beschlich, schien irrational, verschwand auch in Martins Armen nicht immer. Tommys Ermordung, Mamas Veränderung und der Verlust ihres Babys, das war ein Beben gewesen, das ihre seelischen Grundfesten erschüttert hatte, dessen Risse sich nie wieder ganz schließen würden. Martin tröstete sie, aber immer öfter war ihm deutlich anzumerken, dass

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